Impulskäufe: Gefeit gegen visuelle Reize?

Impulskaeufe Gefeit gegen visuelle
Impulskaeufe Gefeit gegen visuelle(c) SMI Eye Tracking
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Menschen, die zu Impulskäufen neigen, nehmen mehr einkaufsbezogene Reize wahr und lassen sich leichter ablenken, haben Psychologen herausgefunden.

Viele müssen den Gürtel enger schnallen, Einkaufslisten sind wieder in Mode. Glücklich, wer es schafft, sich daran zu halten. Oft genug wandern jedoch Produkte in den Einkaufskorb, deren Anschaffung nicht geplant war. Warum das so ist und womit dieses Konsumverhalten zusammenhängt, machten Forscher bislang an geringer Willensstärke, kombiniert mit einem stark ausgeprägten Verlangen, fest.

Dass dieses Erklärungsmodell nicht der Weisheit letzter Schluss sein dürfte, zeigten nun Forscher des Arbeitsbereichs für Angewandte Sozialpsychologie und Konsumentenverhaltensforschung am Institut für Angewandte Psychologie der Uni Wien in einem seit 2011 laufenden Forschungsprojekt (Social Psychological and Personality Science, 27.Juni). Im Fokus stand die Frage, ob sich Impulskäufer hinsichtlich ihrer Wahrnehmung und Ablenkbarkeit von anderen unterscheiden und so zugänglicher für einkaufsbezogene Reize und Produkte sind.


Offener für Reize. Andere Studien mit Personen, die oft zu Sucht- oder Genussmitteln greifen, haben gezeigt, dass diese offener für bestimmte Reize sind. Das heißt z.B.: Raucher nahmen Darstellungen von Zigaretten intensiver wahr als jene von Gegenständen, die einer Zigarette nur ähneln. Bei Impulskäufern verhält es sich offenbar ähnlich: „Sie sind sensibler für einkaufsbezogene Reize und Produkte und entdecken Kaufgelegenheiten früher als andere“, erklärt der Sozialpsychologe Oliver Büttner.

Bei den Versuchen im Zuge des Forschungsprojekts wurde der Blickverlauf von rund fünfzig weiblichen Personen mittels eines Remote-Eye-Tracking-Systems am PC aufgezeichnet: Der Eye-Tracker sendet Infrarotstrahlen aus, die von der Hornhaut des Auges reflektiert werden. Gleichzeitig zeichnet eine integrierte Kamera die Augen des Probanden auf, das System ermittelt daraus deren Blickrichtung.

Dadurch wird für die Psychologen nachvollziehbar, wohin die Person gesehen hat und wie lange der Blick haften blieb. Sie gingen dabei davon aus, dass bei jenen, die leicht ablenkbar sind, der Blick häufiger und länger bei Produkten hängen bleibt und sie ihrer eigentlichen Aufgabe weniger Aufmerksamkeit widmen. Die Basis für die statistische Auswertung lieferte u.a. eine grafische Analysesoftware zu Aufmerksamkeitsverteilung oder Blickverlauf. Um herauszufinden, ob die Personen nur in Einkaufssituationen ablenkbar sind, wurde nur eine der beiden Gruppen mit einer fiktiven Einkaufssituation konfrontiert.

„Unsere Annahmen – sowohl die, dass sich Impulskäufer leichter von einkaufsbezogenen Reizen ablenken lassen, als auch jene, dass der Ablenkungseffekt nur in Einkaufssituationen auftritt – wurden bestätigt“, resümiert Büttner. Damit wurde gezeigt, dass bei Impulskäufern bereits auf der Wahrnehmungsebene etwas passiert – noch vor dem Konflikt zwischen Impuls und Selbstkontrolle. Zwar ließen sich die Gründe für impulsives Kaufverhalten nicht ausschließlich anhand der Unterschiede in der visuellen Aufmerksamkeit erklären. Man habe jedoch einen neuen Aspekt beigesteuert, der davor nicht beachtet wurde, so der Forscher.


Chancen auf Besserung.
Die Psychologen sind im Rahmen des Projekts, das bis 2014 läuft, auch an weiteren Fragestellungen interessiert. So wollen sie herausfinden, wie man die neuen Erkenntnisse nutzen kann, um wirkungsvolle Strategien zur Vermeidung von Impulskäufen zu entwickeln. Dabei greifen die Psychologen auf relativ einfache Techniken zurück und testen deren Wirksamkeit mittels Eye-Tracking.

Erste Versuche mit dem Formulieren konkreter Handlungsabsichten haben laut Büttner gezeigt, dass sich die Versuchspersonen besser auf die Aufgabenstellung konzentrieren konnten und sich weniger stark ablenken ließen. Abgesehen davon spielen auch situative Risikofaktoren wie Erschöpfung eine große Rolle. „Geht man etwa nach einem anstrengenden Tag einkaufen, ist das Risiko größer, dass die Fähigkeit zur Selbstkontrolle ins Wanken gerät und man anfälliger für Impulskäufe wird“, erläutert Büttner. Diese ist allerdings wichtig, damit impulsives Kaufverhalten nicht überhandnimmt und sich zu einer extremen Form des Impulskaufs – besser bekannt als Kaufsucht – entwickelt. Mit all seinen negativen Folgen.

Kaufsucht

Kaufsucht („Oniomanie“) wurde bereits vor mehr als 100 Jahren wissenschaftlich beschrieben – nämlich 1909 von Emil Kraepelin. Ähnlich wie Spielsucht oder Arbeitssucht wird sie den Zwangsstörungen, manchmal auch den Impulskontrollstörungen zugerechnet.

Ein Prozent der Menschen ist laut Schätzungen in Industrieländern
kaufsüchtig, weitere fünf Prozent
sind stark kaufsuchtgefährdet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

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