"Behördliche Entführung"

"Behördliche Entführung"(Archivbild)(c) APA (DIE NEUE/BALTACI)
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Der Rechtsstreit um Sofia erinnert stark an den Fall Yasemin.

Wien/Kb. Die Namen der Mädchen unterscheiden sich, die Herkunftsländer ihrer Väter auch, doch die Fälle sind verblüffend ähnlich: Die Causa Sofia hat Parallelen mit dem Fall Yasemin, der in Tirol jahrelang für Schlagzeilen sorgte. Die damals ebenfalls sechsjährige Yasemin Kobal wurde 2004 in Lienz auf dem Schulweg abgefangen und zu ihrem Vater in die Türkei geflogen. Der Ablauf sah so aus: Eine Psychologin, zu der sie Vertrauen aufgebaut hatte, sprach das Mädchen in Begleitung einer Richterin, einem weiteren Psychologen und zwei Polizeibeamten an und bat sie, ins Auto zu steigen. Im Wagen sagte sie ihr, dass sie zu ihrem Vater gebracht werde, der auf dem Flughafen auf sie warte. Von dort flogen die beiden nach Istanbul – mit an Bord waren auch die zwei Psychologen, um Yasemin in den ersten Tagen in der Türkei zu betreuen.

Zeitgleich wurde die Mutter des Mädchens in ihrer Wohnung darüber informiert, dass es soeben abgeholt worden sei und sich auf dem Weg in die Türkei befinde. Die Auflagen für diese „Rückführung“ waren streng. Hätte Yasemin geweint oder sich geweigert, mitzukommen, wäre die Aktion abgebrochen worden. Dennoch ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung, von einer „behördlichen Entführung“ war die Rede.

Gutachten war ausschlaggebend

Zum Hintergrund: Yasemin wurde in Istanbul geboren. Ihre österreichische Mutter hatte den späteren, türkischen Vater im Urlaub kennengelernt, ihn geheiratet und war zu ihm gezogen. Als das Mädchen vier Jahre alt war, kehrte ihre Mutter nach Österreich zurück und nahm es ohne Einverständnis des Vaters mit. Als Begründung gab sie u.a. an, von ihrem Mann geschlagen worden zu sein. Dieser klagte auf Rückführung seiner Tochter und bekam recht. Ausschlaggebend war ein psychologisches Gutachten, aus dem hervorging, dass Yasemin bei einer Rückführung in die Türkei mit keinen nennenswerten seelischen Schäden zu rechnen habe. Ihre Mutter stellte daraufhin in Istanbul einen Sorgerechtsantrag, der abgelehnt wurde. Bis heute lebt die mittlerweile 15-Jährige bei ihrem Vater in der Türkei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2013)

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