Terrorangst: Das Warten auf den großen Anschlag

Terrorangst: Das Warten auf den großen Anschlag
Terrorangst: Das Warten auf den großen Anschlag(c) EPA (YAHYA ARHAB)
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Nach Schließung mehrerer Botschaften fordern die USA ihre Bürger zum Verlassen des Jemen auf. Sie fürchten al-Qaida-Attentate und Rache für US-Drohnenangriffe.

Das Ausmaß der Bedrohung ist extrem hoch“ – durch den gesamten Nahen Osten hallte am Dienstag die US-Terrorwarnung für den Jemen. Alle US-Bürger wurden aufgefordert, das Land im Süden der Arabischen Halbinsel sofort zu verlassen. Das Weiße Haus befürchte nicht nur neue Anschläge, wie es in der Begründung hieß, sondern auch den Zorn der Bevölkerung, nachdem am Dienstag vier weitere mutmaßliche al-Qaida-Leute durch eine Kampfdrohne der USA in der Provinz Marib getötet worden waren.

Allein in der vorigen Woche kamen bei vier Angriffen, die alle von Basen in Saudiarabien aus geflogen wurden, 17 Menschen ums Leben, die meisten Terrorverdächtige, aber auch fünf Zivilisten und ein Kind. Und so heizt das Agieren des US-Militärs am Himmel des Jemen nicht nur den Rachedurst der „Gotteskrieger“ an, sondern treibt auch die normalen Einheimischen immer mehr auf die Barrikaden.

Gleichzeitig enthüllten amerikanische Medien, dass die spektakuläre Schließung von zwei Dutzend US-Botschaften in der arabischen und muslimischen Welt ausgelöst wurde durch ein abgehörtes Telefongespräch zwischen Osama bin Ladens Nachfolger, Ayman al-Zawahri, und Jemens al-Qaida-Chef, Nasser al-Wuhayshi. „Tu etwas“, soll Al-Zawahri den Jemeniten aufgefordert und verlangt haben, so schnell wie möglich mit Attentaten zu beginnen, ohne jedoch konkrete Ziele zu nennen.

Sprengsatz im Körper versteckt

Nach Angaben von US-Zeitungen befürchtet das Weiße Haus, al- Qaida könnte Selbstmordattentäter losschicken, die sich Bomben in ihre Körper hineinoperieren hätten lassen. Bisher gab es einen Fall dieser Art, im August 2009 auf den damaligen saudischen Vize-Innenminister Muhammed bin Nayef, der leicht an der Hand verletzt wurde. Der Täter trug den Sprengsatz in seinem Hintern versteckt und konnte so alle Sicherheitsschleusen unentdeckt passieren.

Angesichts solcher Gefahren sollen die US-Botschaften in der Region wohl nicht nur bis Ende der Woche, sondern wahrscheinlich bis Ende August geschlossen bleiben. Die Deutschen gaben bekannt, ihre diplomatische Mission im Jemen stelle ebenfalls bis auf Weiteres die Arbeit ein. Die Briten flogen ihr gesamtes diplomatisches Personal außer Landes und warnten alle durch den Golf von Aden fahrenden Schiffe vor „außerordentlichen Gefahren“.

Die al-Qaida im Jemen gilt heute als die gefährlichste Filiale in dem globalen islamistischen Terrornetzwerk. Auf ihr Konto geht etwa 2009 der Attentatsversuch des sogenannten Unterhosenbombers beim Anflug eines US-Flugzeuges auf Detroit. Ein Jahr später wurden Sprengsätze in zwei Frachtflugzeugen entdeckt, die in Laserdruckern versteckt waren.

„Bedrohung wurde größer“

Unter Führung des charismatischen Nasser al-Wuhayshi, der 2006 bei einem Massenausbruch von al-Qaida-Häftlingen in Sanaa freikam, eroberten die Gotteskrieger vorübergehend mehrere Landstriche entlang der Küste, aus denen sie die Armee erst vor wenigen Monaten unter hohen Verlusten vertreiben konnte. Trotzdem sind die „Gotteskrieger“ alles andere als besiegt – im Gegenteil. „Die Bedrohung ist eher größer geworden, weil al-Qaida sich in viele Provinzen zerstreut hat“, sagt Mohammed Saif Haidar vom „Sheba Zentrum für Strategische Studien“, der zu den besten Kennern der Lage gehört. Nach dem Verlust ihrer Mini-Emirate im Süden verlagerten sie ihren Fokus nach Norden. Seither sickern ihre Kommandos in die Hauptstadt ein und können jederzeit Präsidentenpalast, Botschaften, Niederlassungen fremder Firmen und Hotels angreifen.

„Der Kampf ist viel großflächiger geworden als vor einem Jahr“, urteilt Haidar. „Obwohl die Armee mit allen Mitteln versucht hat, die Gefahr zu stoppen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2013)

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