Deutschland: CSU will alle Pornos im Netz sperren

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Symbolbild(c) Michaela Bruckberger
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Ein deutscher Jugendschutzexperte fordert einen Filter. Pornonutzer müssten sich künftig deklarieren. Vorbild ist eine britische Maßnahme - dort wittern Kritiker die totale Zensur.

Es gibt viel Böses in den Weiten des Internets und vieles, was man gut behüteten Kindern nicht zumuten sollte.

Also nahm sich der CSU-Abgeordnete und Jugendschutzexperte Norbert Geis (74) ein Herz und forderte am Dienstag als erster deutscher Politiker eine Pornosperre im Internet. Filter, die der Provider voreinstellt, sollen Seiten pornografischer Natur verschwinden lassen – es sei denn, der erwachsene Nutzer weist sein Alter nach. Dazu müsste er sich für die indizierten Seiten „persönlich anmelden“ – und sich so als Freund digitaler Lustbarkeit deklarieren.

Damit betritt Geis unbekanntes Terrain. Denn eine generelle Pornoschranke geht im Umfang deutlich weiter als bisher diskutierte Sperren für Seiten, die mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Zusammenhang stehen. Der Versuch von Ursula von der Leyen (CDU), Kinderpornos im Netz zu blockieren, scheiterte 2009 an heftigen Protesten der Internetgemeinde und brachte der damaligen Familienministerin den Schmähnamen „Zensursula“ ein.

Rasch einigte sich die Regierung auf die Formel „Löschen statt Sperren“. Damit schien die Diskussion vorerst erledigt. Bis vor wenigen Wochen David Cameron auf den Plan trat: Der konservative britische Premier verkündete eine Einigung mit allen großen Internetprovidern. Sie werden bis Ende 2014 ihren Usern automatische Filter vorsetzen, die nur noch „familienfreundliche“ Inhalte zulassen. Wenn sich die Provider nicht an ihre „moralische Pflicht“ halten, sollen sie gesetzlich dazu gezwungen werden.

Algorithmen als Tugendwächter

Auf diese Initiative beruft sich Geis bei seinem Vorstoß. Allerdings funktioniert die „persönliche Anmeldung“ bei den Briten als harmlos wirkendes Opt-in-Verfahren: Bei der Installation des Breitbandanschlusses muss der Nutzer nur vorgeschlagene Haken entfernen. Dennoch hofft Cameron, dass viele Bürger aus Trägheit oder Schamgefühl die Voreinstellung belassen. Denn als Pornofreund erfasst wird der Nutzer vermutlich allemal.

Die Pornoschranke ist ein Erfolg des Boulevardblatts „Daily Mail“, das Cameron mit einer Kampagne gegen den „Schmutz im Netz“ monatelang vor sich hertrieb. Argumentiert wurde mit Statistiken, wonach 40Prozent der britischen Kinder unter zwölf Jahren pornografische Bilder im Netz sehen, was manche traumatisiere.

Nach seiner großspurigen Ankündigung kämpft Cameron nun mit vielen Teufeln im Detail. Experten klären ihn auf: Eine Schranke, die gewiefte Nerds nicht überspringen können, ist noch nicht erfunden. Dazu kommt die schwierige Frage: Wo beginnt Pornografie, wo hört sie auf? Womit sich in viktorianischer Zeit die Hüter der Sittlichkeit lächerlich machten, sollen nun Algorithmen lösen.

Cameron schränkte schon ein: Barbusige Frauen, wie sie etwa die „Sun“ täglich im Blatt hat, oder Pornografie in Schriftform möge der Filter gnädig übersehen. Wie aber soll der digitale Wächter willkommene Seiten über Aufklärung und Gesundheit, die Zeichnungen von Geschlechtsteilen enthalten, vom „Schund“ unterscheiden?

Die öffentlichen Kritiker der Pornosperre treiben freilich ganz andere Sorgen um: Sie sehen in Großbritannien – als erster westlicher Demokratie – die Freiheit des Netzes durch Zensur bedroht. Eine Bürgerrechtsorganisation behauptet etwa, dass die Provider weit mehr filtern sollen als nur Pornografie: nämlich Webseiten mit von Gewalt geprägtem oder „esoterischem“ Inhalt und auch solche, die sich mit Alkohol, Rauchen und Selbstmord befassen.

Am Ende stünde dann eine schöne neue Digitalwelt, in der die Nutzer gar nicht merken würden, welche vom Staat erkannten Schattenseiten des Lebens ihnen entgehen – so wie in Saudiarabien oder Nordkorea.

Auf einen Blick

Eine Pornoschranke im Internet fordert der CSU-Abgeordnete und Jugendschutzexperte Nobert Geis (74). Anders als bei der früher diskutierten Sperre von Kinderpornoseiten betrifft ein solcher Filter alle pornografischen Inhalte. Vorbild ist eine Vereinbarung, die die britische Regierung Ende Juli mit den großen Internetprovidern getroffen hat. Ziel ist der Schutz der Kinder. Erwachsene können sich Pornos bei der Installation des Anschlusses freischalten lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2013)

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