Leichtathletik: "Es gibt fünf hauptamtliche Trainer"

Andreas Vojta
Andreas Vojta(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Oliver Lerch)
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1500-Meter-Läufer Andreas Vojta ist einer von nur zwei Österreichern, die bei der WM in Moskau starten. Er prangert die fehlende Infrastruktur an, rechnet mit Betrügern ab.

Die Presse: Am Wochenende startet die WM in Moskau, ist es nicht ein Armutszeugnis für Österreich, nur zwei Teilnehmer zu stellen?

Andreas Vojta: Einen überragenden Eindruck nach außen vermittelt das sicher nicht. Es ist auch kein Beweis dafür, dass die Leichtathletik im Lande eigentlich im Aufbruch ist. Spitzenleistungen und Nachwuchs werden immer besser, aber im Endeffekt, auch wenn einige Athleten ausgefallen sind, sind zwei Leute nicht viel. Es zeigt einfach auf, wie groß der Aufholbedarf noch ist. Auch wenn es aufwärtsgeht, kann man innerhalb eines Jahres die Welt nicht umdrehen oder Topathleten herbeizaubern. Das wird aber noch Jahre dauern.

Sie sprechen damit den „Nuller“ von Olympia in London 2012 an. Was hat sich denn im österreichischen Sport seit damals geändert?

Das Wichtigste nach London war, dass die ungenügenden Voraussetzungen im Leistungssport thematisiert wurden. Es besteht nach wie vor enormer Bedarf an Infrastruktur, Trainern und optimaler Betreuung für die Sportler, der natürlich nicht binnen eines Jahres aufgeholt werden kann. In Wien wurde jetzt zumindest damit begonnen, den Cricketplatz zu renovieren. Davon erwarte ich mir eine Verbesserung für meine persönlichen Trainingsmöglichkeiten. Der zweite Punkt ist das Projekt Rio 2016. Dadurch gibt es zusätzliche Budgets, die direkt an Sportler verteilt werden, und damit zusätzliche Möglichkeiten für Trainingslager, Physiotherapie; auch können erstmals die Trainerkosten bezahlt werden.

Gibt es in Österreich aber überhaupt genug und auch gute Betreuer?

Die fachliche Betreuung ist sicherlich ein Schwachpunkt. Es gibt in der Leichtathletik nur fünf hauptamtliche Trainer! Die Übrigen arbeiten mehr oder weniger ehrenamtlich.

Diese Ist-Situation ist überaus ernüchternd in Österreichs Leichtathletik. Erhöht sich damit nicht automatisch der Druck, wenn gar nur zwei ÖLV-Athleten bei einer WM antreten?

Das hat zwei Seiten. Auf der einen Seite haben Diskuswerfer Gerhard Mayer und ich mehr Aufmerksamkeit und können unsere hoffentlich guten Leistungen entsprechend präsentieren – im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen es nicht einmal auffallen würde, wenn man das Finale erreicht. In Österreich sind dann aber gleich mehr Augen auf einen gerichtet, zumal heuer die WM erstmals nach 18 Jahren wieder live im ORF zu sehen ist. Das erhöht natürlich auch den Druck.

Gut präsentieren, was verstehen Sie darunter?

Ich will im Vorlauf eine gute Leistung zeigen, die im Normalfall für das Halbfinale reichen sollte. Das ist ein realistisches Ziel. Natürlich kann bei einer WM viel passieren, man kann gut drauf sein und trotzdem im Vorlauf ausscheiden. Man hat aber im Vorjahr bei Beate Schrott in London gesehen, wie schnell es auch in die andere Richtung gehen kann. Gerade auf der Mittelstrecke ist der Spielraum größer, da läuft auch Taktik mit.

Was muss geschehen, damit Österreichs Leichtathletik den Aufschwung schafft, wieder Bedeutung gewinnt?

Die Starterfelder bei den Staatsmeisterschaften in Feldkirch waren erschreckend. In manchen Läufen waren ja nicht einmal alle Bahnen besetzt. Wenn man die Leichtathletik als Sportart wieder präsenter machen will, sollte man in der Schule, bei Kindern ansetzen. Die tägliche Schulstunde ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur sollte die Umsetzung professionell gestaltet werden, die Zusammenarbeit mit Vereinen gesucht werden – Kinder müssen direkt auf den Sportplatz kommen. Nur eine zusätzliche Stunde, wie bisher im Turnsaal, wird da nicht viel bringen.

Wann war für Sie der Punkt erreicht, an dem Sie gemerkt haben, da ist mehr drinnen im Laufsport?

Ich war bei Nachwuchsmeisterschaften bis zur Jugend immer unter den Top Ten, aber nie ganz vorn. Man hat von mir nie gesagt, ich sei ein Riesentalent und werde einmal ein Großer. Ich habe mich kontinuierlich verbessert und 2009 als 20-Jähriger überraschend in Linz bei den Meisterschaften in der Allgemeinen Klasse die 1500 Meter gewonnen. Das war der entscheidende Moment. Das war auch der Zeitpunkt, den Trainingsumfang zu erhöhen. Ich wusste, dass ich noch Potenzial habe. Das war der nächste Schritt, und so habe ich mich von Limit zu Limit nach vorn gehantelt.

Gehantelt, ein Stichwort: Dopingfälle haben den Sport wieder in die Negativschlagzeilen gebracht und...

...aus sportlicher Sicht ist es sicherlich ein Erfolg, wenn große Namen wie Gay oder Powell auffliegen. Man sieht, dass kontrolliert wird und Betrüger ohne Rücksicht auf ihren Namen aus dem Verkehr gezogen werden. Imagemäßig und medial haben die Aufdeckungen eine Negativseite, weil viele ein teilweise falsches Bild bekommen. Nicht jeder Leistungssportler dopt. Ich bin zuversichtlich, dass der seit der WM in Daegu 2011 eingeführte Blutpass dazu beitragen kann, das Dopingproblem in den Griff zu bekommen. Es hat den Sinn, dass Grundlagen erstellt und über einen längeren Zeitraum Vergleichskontrollen durchgeführt werden. Man kann Schwankungen erkennen, unnatürliche Abweichungen zählen dann als Dopingvergehen. Ich halte das für besser als einmalige Kontrollen.

Wohin führt Ihr Weg, bleiben Sie auf der Laufbahn, oder lockt vielleicht der Wechsel ins Marathonlager?

Bis zu den Sommerspielen in Rio de Janeiro 2016 ist das keinesfalls ein Thema, da bin ich für 1500 Meter noch im perfekten Alter. Einen Wechsel auf die 5000- und 10.000-Meter-Distanzen will ich nicht ausschließen. Marathon kann ich mir jetzt aber nicht vorstellen. Allein vom Training her ist das eine andere Liga.

Zur Person

Andreas Vojta, 24, ist Österreichs bester Leichtathlet über die 1500-Meter-Distanz. Er ist zweifacher EM-Finalist, war bei Olympia in London (Aus im Vorlauf) und startet nun bei der WM in Moskau.

Über 1500 Meter hat der Niederösterreicher heuer seine Bestzeit auf 3:36,36 Minuten gesteigert. Anfang Juli holte der 24-Jährige bei der Universiade in Kasan Bronze über 800 Meter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2013)

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