Mollath: "Mein Fall ist nur die Spitze eines Eisbergs"

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Der entlassene Psychiatriepatient wirft der bayrischen Justizministerin Merk Heuchelei vor. Er will vor Gericht kämpfen, bis er "vollständig rehabilitiert" ist.

Nach seiner Entlassung aus der geschlossenen Psychiatrie hat Gustl Mollath der bayrischen Justizministerin Beate Merk (CSU) Heuchelei vorgeworfen. "Die Wirklichkeit ist völlig anders, als Frau Merk jetzt tut", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" auf die Frage nach Versuchen Merks, die Wiederaufnahme des Prozesses als ihren eigenen Erfolg zu verbuchen. "Ich glaube nicht, dass die Bürger so blauäugig sind und ihr glauben", sagte Mollath.

In dem am Tag nach seiner überraschenden Entlassung am Dienstag geführten Interview kündigte der 56-Jährige an, "die Auseinandersetzung in einem rechtsstaatlichen Prozess" zu suchen. "Ich rechne mit großem Aufwand und viel Quälerei. Aber ich will vollständig rehabilitiert aus diesem Prozess gehen." Zugleich übte er scharfe Kritik am Rechts- und Psychiatriesystem und forderte Konsequenzen.

Sein Fall sei "die Spitze eines Eisbergs", zitierte ihn die "SZ". Geschlossene psychiatrische Kliniken seien "de facto ein rechtsfreier Raum. Der größte Teil der Menschen ist auf Gedeih und Verderb den Ärzten und dem Personal ausgeliefert. Wenn es darauf ankommt, versagen die Kontrollinstanzen. Man ist im weitesten Sinne der Willkür ausgesetzt und kann sich nicht wehren".

Was fehle, seien "Kontrollmechanismen", sagte Mollath. "Ein Fortschritt wäre schon, Statistiken darüber zu veröffentlichen, wie viele Menschen lieber in die grauenvollen Gefängnisse gehen, anstatt in den wunderbaren Krankenhäusern zu bleiben."

Buch geplant

Nach seinen sieben Jahren in der Klinik sei er nun bei Freunden untergekommen, sagte der Nürnberger. Am wichtigsten für ihn sei es zunächst, einen Pass und andere notwendige Dokumente zu bekommen und sich eine verlässliche Unterkunft zu besorgen. Außerdem will Mollath ein Buch schreiben: "Es gibt Angebote von Verlagen, und ich werde wohl tatsächlich ein Buch schreiben", sagte er. "Es ist dringend erforderlich, dass schlimme Dinge und grausame Schicksale an die Öffentlichkeit kommen, von denen sich die breite Bevölkerung keine Vorstellung macht."

In dem seit Monaten andauernden juristischen Hickhack um den 2006 in die Psychiatrie eingewiesenen Nürnberger hatte das Oberlandesgericht Nürnberg am Dienstag überraschend die sofortige Freilassung angeordnet. Auslöser waren Zweifel an einem für die Unterbringung mitentscheidenden Attest. Mollath soll seine inzwischen von ihm geschiedene Frau gewürgt und angegriffen haben, er bestreitet dies. Das Attest, das die Angriffe damals belegte, wurde von einem Assistenzarzt und nicht - wie im Kopf des Dokuments angegeben - von einer Fachärztin ausgestellt.

Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte am Donnerstag die Wiederaufnahme des Verfahrens. "Das ist wirklich eine gute Chance, manche Überlegungen, Aspekte und Vorwürfe zu klären, die im Raum stehen", sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. Auch sie sieht ihre Bayrische Kollegin in der Mitverantwortung. "Dass es so lange gedauert hat, bis es jetzt endlich zur Prüfung der Wiederaufnahme kommt, das hat auch die Kritik an Justizministerin Merk hervorgerufen, und man konnte sie nicht in toto wegwischen."

(APA/AFP)

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