Das Lehrerdienstrecht soll ohne Gewerkschafts-Sanktus in Begutachtung gehen. Faymann: "Kann nicht sein, dass der Herr Neugebauer entscheidet."
[Wien] Der Ton in der Diskussion um ein neues Lehrerdienstrecht wird immer schärfer. Besonders die SPÖ erhöht den Druck auf die Lehrergewerkschaft und droht in drastischen Worten das neue Dienstrecht auch gegen diese zu beschließen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) lässt den Lehrervertretern über die Tageszeitung "Österreich" ausrichten: "Wir müssen die Blockierer jetzt zur Seite räumen".
Schon zuvor hat er in mehreren Medien seine Linie klar gemacht und erklärt, dass "schon auch was ohne diese Herren gehen" müsse. Denn: "Es kann nicht sein, dass der Herr Neugebauer entscheidet, Daumen rauf oder runter."
Im SPÖ-geführten Unterrichtsministerium wird angesichts dessen eifrig am neuen Gesetzesentwurf gearbeitet. Damit dieser schon kommende Woche vorgelegt werden kann, wurden Beamte aus dem Urlaub zurückgeholt, außerdem wird nun auch am Wochenende gearbeitet. Dem Unterrichtsministerium sei es nach eigenen Angaben „sehr ernst“ mit einem schnellen Abschluss des neuen Lehrerdienstrechts.
Dass es auch die ÖVP wagt, den Gesetzesentwurf gegen den Willen der schwarz-dominierten Lehrergewerkschaft in Begutachtung zu schicken, galt bisher als eher unwahrscheinlich. Denn im Laufe der langwierigen Dienstrechtsverhandlungen ist es stets die Volkspartei gewesen, die den Lehrervertretern den Rücken stärkte.
Nun sagte aber auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), dass einer Begutachtung des neuen Lehrerdienstrechts auch ohne Sanktus der Gewerkschaft nichts mehr im Weg stehe. "Ich stehe dazu, dass wir in der Regierung beim Lehrerdienstrecht den nächsten Schritt setzen und es in Begutachtung schicken", so Spindelegger im "Kurier".
„Knackpunkt Arbeitszeit offen“
Derzeit sieht es nach einem "Nein" aus. Dass die Gewerkschaft der Regierung noch vor der Nationalratswahl Ende September grünes Licht gibt, ist mehr als unwahrscheinlich. Noch am Freitag äußerte sich Paul Kimberger, der Chefverhandler auf Lehrerseite, mehr als kritisch zum Regierungsvorschlag. Zwar habe es in den vergangenen Wochen teils Annäherungen gegeben, dennoch gebe es noch „in allen Bereichen ungelöste Fragen“.
Was besonders schwer wiegt: Es geht bei diesen ungelösten Fragen nicht nur um Details, sondern um einige „Knackpunkte“ – und zwar sowohl um die Arbeitszeit der Lehrer als auch um die Bezahlung. Der Streit um die Arbeitszeit ist bereits ein sehr langer. Die Regierung möchte die Kernarbeitszeit der Pädagogen auf 24 Stunden erhöhen (bisher waren es 20 bis 22) und machte dabei schon Zugeständnisse. So sieht der Plan von SPÖ und ÖVP vor, dass man sich etwa als Klassenvorstand oder Mentor je eine zusätzliche Stunde Unterricht anrechnen lassen kann. Die Lehrer sind mit diesem Vorschlag aber noch nicht zufrieden. Kimberger pocht etwa darauf, dass es auch für Tätigkeiten in der Schulbibliothek wie auch für die Betreuung des IT-Bereichs Abschlagsstunden geben soll.
Weiter unklar ist ferner, inwieweit das neue Lehrerdienstrecht Rücksicht auf die erst kürzlich beschlossene neue Lehrerausbildung nimmt. Das ist insofern wesentlich, weil sich durch die neue Lehrerausbildung einiges ändern wird. Künftig müssen nicht nur Lehrer an allgemein bildenden höheren Schulen (AHS) und berufsbildenden höheren Schulen (BHS) ein Masterstudium absolvieren, sondern alle Lehrer. Bisher reichte für die Ausbildung zum Volks- oder Hauptsschullehrer ein Bachelorabschluss. Die geforderte höhere Ausbildung müsse freilich auch im neuen Dienstrecht abgebildet werden, so die Forderung der Lehrergewerkschaft. Dass sei „nach wie vor nicht vollständig im Dienstrecht abgebildet“, ärgert sich Kimberger. So fehlten etwa Fächerzulagen für die Volksschullehrer zumindest in der vierten Klasse, die genauso Schularbeiten verbessern würden wie Lehrer an Hauptschulen oder in der AHS-Unterstufe.
Weiter uneins sind Regierung und Gewerkschaft auch, was den Einsatz von Schulpsychologen, Sozialarbeitern und zusätzlichem administrativem Personal anbelangt. Während sich die Gewerkschaft rund 13.000 zusätzliche Unterstützungsposten wünscht, setzte Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) schon vor einiger Zeit die Obergrenze bei 2000 Posten fest. Vor allem im Pflichtschulbereich ist das Thema Unterstützungspersonal kompliziert, weil es dort eine Materie des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern sei, so Kimberger.
Noch Gespräche mit der ÖVP
Doch was heißt die ablehnende Haltung der Gewerkschaft eigentlich für das Bestreben der SPÖ, das Dienstrecht sobald als möglich durchzuboxen? Zumindest rein theoretisch könnte die SPÖ das neue Lehrerdienstrecht nicht nur ohne Zustimmung der Gewerkschaft, sondern zumindest auch im Parlament gegen die ÖVP beschließen. Immerhin haben in der jüngeren Vergangenheit schon mehrere Oppositionsparteien ihre Unterstützung angeboten. Auf die Frage, ob das eine Option sei, antwortete man im Kanzleramt aber (vorerst noch) zurückhaltend: „Wir arbeiten an einem gemeinsamen Entwurf.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2013)