Lothar Matthäus: "Wie kalt ist das Wasser?"

Lothar Matthaeus kalt Wasser
Lothar Matthaeus kalt Wasser(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Witters)
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Rekordnationalspieler Lothar Matthäus im Interview über den Guardiola-Hype und Bayerns Erfolgsaussichten. Zu Österreichs Liga fällt ihm nicht viel Positives ein. Zum ÖFB-Team allerdings sehr wohl.

In der deutschen Bundesliga ist am Freitag die neue Saison gestartet worden. Fast alles hat sich im Vorfeld wieder einmal um den FC Bayern München gedreht. Zu viel Lärm um einen neuen Trainer?

Lothar Matthäus: Also eines muss man sagen: Es hat noch nie so einen Hype um einen neuen Trainer gegeben. Nicht nur in Deutschland. Klar, da kommt ein neuer Mann, der einen ganz großen Namen hat, ein Trainer, der in den vergangenen Jahren alles gewonnen hat. Er hat mit Lionel Messi den besten Fußballer der Welt trainiert. Und jetzt wird in München erwartet, dass Pep Guardiola mit den Bayern ähnlich erfolgreich ist.

Was heißt ähnlich erfolgreich? Die Bayern sind schließlich als Meister, Cupsieger und Gewinner der Champions League nun ein Triple-Sieger. Was kann man denn da noch gewinnen?

Es gibt im Sport immer wieder neue Herausforderungen. Und die Bayern bringen die besten Voraussetzungen mit, dass sie auch in Zukunft erfolgreich sein werden. Aber das musst du absichern. Wenn du nicht mehr erfolgreicher sein kannst als du ohnedies schon warst, dann birgt das Gefahren. Aber von der Organisation und der wirtschaftlichen Seite her, da sind die Bayern die Nummer 1. Es ist ja zumindest bemerkenswert, dass sich nur Borussia Dortmund als Herausforderer fühlt. Oder diesen Anspruch stellt. Die glauben daran, dass sie die Bayern auch schlagen können. Im Supercup ist es ihnen ja zuletzt gelungen. Aber gut, das waren ein bisschen andere Voraussetzungen.

Die Medien spekulieren viel über Guardiolas taktische Finessen. So viele Erläuterungen über die verschiedenen Spielsysteme hat es noch nie gegeben. Ein Taktik-Hype?

Für euch Journalisten ist das in erster Linie lustig oder interessant. Für uns Trainer jedoch weniger. Uns ist das ja alles bekannt. Was gibt es denn für großartige Unterschiede? Die Position der Sechs oder die Doppel-Sechs wird zerlegt, wie viele Meter weiter vorne oder hinten einer spielt. Oder wie offensiv die Außenverteidiger agieren. Neu wäre, wenn ein Philipp Lahm im Mittelfeld spielt, ein Sebastian Schweinsteiger nicht mehr auf seiner Position zu finden ist. Aber Pep Guardiola ist ein Perfektionist, er wird auch aus den Bayern die modernste Mannschaft der Welt machen. Guardiola wird das Barcelona-System perfekt umsetzen. Dabei hat er bei den Bayern noch den Vorteil, dass er über zwei komplette Mannschaften verfügt. Das ist schon enorm.

Hat Ihrer Meinung nach tatsächlich eine Wachablöse im europäischen Fußball stattgefunden?

Dass der deutsche Fußball ganz vorne steht, das ist nur eine Frage der Zeit gewesen. Hier stimmt alles, die Struktur, die wirtschaftliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, hier stimmen die Basis und die Qualität. Auch in und rund um die Stadien. Ich habe schon vor Jahren gesagt, der deutsche Fußball wird Italien, Spanien und England wieder überholen. In den letzten Jahren wurde Toparbeit verrichtet, auch im Nachwuchs. Und es gibt nicht nur die Bayern. Auch in der Europa League werden sich sicher künftig Erfolge einstellen. Der deutsche Fußball ist führend –, und das ist schön und gut so. Wir sind von keinem Scheich oder Oligarchen abhängig. Und wir haben eine starke Liga, die Konkurrenz ist groß und stark. Die deutschen Klubs sind gut aufgestellt, auch die Zusammenarbeit mit dem DFB funktioniert toll.

Was sagen Sie zum Projekt RasenBallsport Leipzig?

Ich freue mich. Wobei das ist kein Fußball-Projekt, das ist schlicht und einfach ein Projekt von Red Bull. Es geht um ein Land mit 80 Millionen Einwohnern, das ist schon ein Markt. Als ich in Salzburg gemeinsam mit Giovanni Trapattoni Trainer war, habe ich Didi Mateschitz zwei Regionen für sein Projekt vorgeschlagen: Düsseldorf und Leipzig. Gut, dass es Leipzig geworden ist, eine Region, in der es den Leuten nicht so gut wie in anderen geht. Ich wünsche Mateschitz, der ein echter Sportfan ist, dass er Erfolg hat. Aber Durchmarsch wird es keinen geben!

Salzburg ist schon in Ihrer Ära in der Champions-League-Qualifikation gescheitert, jetzt erneut. Wundert Sie das?

Nein, das wundert mich gar nicht. Ich habe das schon nach dem Hinspiel (Anm.: 1:1 gegen Fenerbahce) befürchtet, im Auswärtsspiel in der Türkei war man dann Außenseiter. Das hat eben alles mit dem Niveau der Liga zu tun. Der Unterschied wird dann so groß, dass du ihn nicht überbrücken kannst. Du must jede Woche voll gefordert sein, sonst geht das nicht. Ich spreche wie gesagt von der Liga – das Nationalteam ist etwas ganz anderes. Ich habe zuletzt euer Länderspiel gegen Schweden gesehen, das war wirklich gut! Ihr Österreicher habt gute Spieler – aber die stehen im Ausland unter Vertrag. Zum Beispiel in Deutschland.

Sie sind einer der TV-Experten bei Sky. Was ist eigentlich aus den Trainerambitionen geworden?

Also der Job bei Sky, der macht mir wirklich Spaß. Ich bekomme auch sehr positive Reaktionen. Wenn man so will, dann ist mir das neben dem Trainerjob richtig auf den Leib geschneidert. Ich bin live dabei, ich bin ganz nahe dran – aber in erster Linie bin ich natürlich Trainer.

Und warum holt Sie kein Bundesliga-Verein? Das ist doch Ihr Wunsch?

Ich bin Realist. Und es gibt immer wieder Angebote. Aber es muss eben passen. Jeder neue Klub ist ein Sprung ins Wasser. Die Frage ist: Wie kalt ist das Wasser? Und wie tief ist es. Ich wäge jetzt mehr ab, das habe ich früher vielleicht zu wenig getan. Darum haben viele Experimente auch mit einer Bruchlandung geendet. Aber ich mache mir da überhaupt keinen Stress, ich bin komplett relaxt. Ich freue mich auf das, was kommt. Und das ist jetzt Bundesliga und die Champions League.

Ist eine Rückkehr nach Österreich denkbar?

Ich liebe Österreich. Und ihr habt eine starke Nationalmannschaft mit interessanten Spielern. Man soll bekanntlich niemals nie sagen.

Ihr Topfavorit für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien?

Die Südamerikaner muss man auf der Rechnung haben. Nicht nur die Brasilianer, die die Generalprobe gewonnen haben. Das ist eben eine Endrunde in Südamerika, da haben mehrere Länder halben Heimvorteil. Auch die Spanier werden stark sein! Aber eben auch Deutschland. Ich würde Joachim Löw den Titel wünschen, weil er zuletzt immer so knapp dran war. Deutschland wird respektiert, von manchen vielleicht sogar gefürchtet. Wir gehören zum engsten Favoritenkreis. Mit ein bisschen Glück ist der WM-Titel im kommenden Jahr möglich.

Diskutiert wurde zuletzt auch über die Kandidaten des neuen Weltfußballers. Wer ist es Ihrer Meinung nach?

Es geht hier nicht nur um Frank Ribery. Auch andere Bayern-Spieler hätten sich diese Auszeichnung sicher verdient. Ich hoffe nur, dass sich die Bayern nicht gegenseitig so viele Stimmen wegnehmen, dass es dann wieder ein anderer wird. Und Messi war ja schon mehrmals an der Reihe.

Ganz spontan – was war Ihre beste Leistung in Ihrer langen Karriere?

Das war wahrscheinlich bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Und ganz spontan: der Sieg gegen Jugoslawien. Das war schon top auf allerhöchstem Niveau. Wir haben 4:1 gewonnen.

Und Lothar Matthäus hat in diesem Spiel zwei Tore geschossen, die italienischen Medien haben über den „deutschen Panzer Matthäus“ geschrieben...

Ja, da habe ich richtig Dampf gemacht. Gegen Jugoslawien, die hat man damals als Geheimfavorit gesehen. Es war ein ganz wichtiger Erfolg auf dem Weg zum Titel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

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