Merkel: Erst Wahltag, dann Zahltag

Merkel: Erst Wahltag, dann Zahltag
Merkel: Erst Wahltag, dann Zahltag(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die Eurokrise aus dem deutschen Wahlkampf heraus. Aber Bundesbank und IWF rechnen vor: Nach der Wahl wird die Griechen-Hilfe richtig teuer.

Berlin. Die ganze Welt blickt gebannt auf Deutschland, wo in knapp sechs Wochen gewählt wird. Die ganze Welt erwartet sich von dem Land, das wie kein anderes die Euro-Krisenpolitik der vergangenen Jahre bestimmt hat, eine leidenschaftliche Debatte über den eingeschlagenen Kurs: Führen die Hilfskredite im Tausch gegen Reformversprechen die Krisenländer rechtzeitig auf den Wachstumspfad zurück? Oder werden die bürgenden Bürger noch kräftig zur Kasse gebeten?

Doch seltsam: Diese Debatte bleibt fast völlig aus. Die deutschen Politiker streiten lieber angeregt über Mindestlöhne, den Veggie-Day in Kantinen und darüber, ob SPD-Kandidat Steinbrück Vorurteile gegenüber Ossis pflegt. Deutsche Themen, deutsche Befindlichkeiten. Der Euro und seine Krise scheinen fern, fast schon vergessen. War da mal was?

Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble haben es geschafft, die Causa prima der Legislaturperiode aus der Kampagne herauszuhalten. In die Wahlprogramme drang sie noch vor, aber nicht mehr auf die Plakate und die Marktplätze. Die Zurück-zur-Mark-Partei Alternative für Deutschland steckt bei drei Prozent in den Umfragen fest.

Deutsche wollen wieder hoffen

Dazu brauchte es gar nicht viel Geschick. Die Voraussetzung lieferte schon vor einem Jahr Mario Draghi. Mit seiner Ankündigung, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenländern zu kaufen, verabreichte der EZB-Chef den nervösen Finanzmarktakteuren ein Narkotikum, das bis heute wirkt. Die Deutschen sind seither froh, dass sie nach Jahren voll apokalyptischer Visionen für die Eurozone endlich ohne Panik ihren Geschäften nachgehen können.

Und die laufen ja gar nicht so schlecht: Die ausfallende Nachfrage aus Südeuropa kann der Handel mit den Schwellenländern bisher einigermaßen kompensieren. Die historisch niedrigen Zinsen animieren zum Konsumieren und Investieren und erlauben dem Staat einen ausgeglichenen Haushalt.

Was auch immer Merkel im Euro-Krisenmanagement für einen Plan verfolgt: Ganz falsch, denken sich sehr viele Deutsche, scheint sie es nicht zu machen. Gegen diese Stimmung kommt die Opposition nicht an – zumal SPD und Grüne die Rettungsschirme und Hilfspakete ja samt und sonders im Bundestag mitgetragen haben.

Nur die Bundesbank bleibt hellwach. Laut „Spiegel“ rechnet sie damit, dass die Europäer bis spätestens Anfang 2014 „in jedem Fall ein neues Kreditprogramm mit Griechenland beschließen“ müssen. Dazu kommt Kritik an der Troika: Dass die jüngste Tranche von 5,7 Mrd. Euro im Juli ausbezahlt wurde, dürfte „politischen Zwängen geschuldet sein“. Die Risken des Rettungsprogramms bleiben aus Frankfurter Sicht „außergewöhnlich hoch“. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lässt bereits durchblicken, dass ein Schuldenschnitt nicht zu vermeiden sei: Mindestens 7,5 Mrd. müssten die Kreditgeber erlassen, damit die Griechen eine Chance haben. Und das wäre wohl erst der Anfang. In Summe stehen in Griechenland 200 Milliarden auf dem Spiel, etwa ein Drittel davon trägt Deutschland.

Dazu kommen die Hilfsgelder an die anderen Krisenstaaten und der Haftungsanteil für die Anleihenkäufe der EZB. Schwarz-Gelb jubelt über vorsichtige Erfolgsmeldungen aus Spanien, Portugal, Italien und Irland: Die Reformen beginnen zu greifen, die Wettbewerbsfähigkeit nimmt zu. Aber auch wenn das Wachstum zurückkehrt: Es wird wohl noch länger so schwach bleiben, dass die Zahl der Arbeitslosen kaum sinkt.

Damit bleiben die Haushalte belastet, die Schuldenquote hoch – und das Risiko für den deutschen Steuerzahler intakt. Aber davon will in diesem unbeschwerten Sommer, dem sonnigsten seit Langem, niemand etwas wissen. Erst nach dem Wahltag kommt die Rechnung auf den Tisch.

Auf einen Blick

Die deutsche Bundesbank ist überzeugt, dass Griechenland schon bald ein neues Hilfsprogramm braucht. Der IWF deutet sogar an, dass ein Schuldenschnitt nötig sein wird. Aber die Botschaft kommt im deutschen Wahlkampf nicht an: Schwarz-Gelb schweigt das Thema Eurokrise fast tot, SPD und Grüne lassen es zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2013)

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