Die ÖVP zieht in den Wahlkampf und schießt sich treffsicher ins Knie

Die ideologische Substanz der Volkspartei ist mit freiem Auge kaum noch sichtbar. Warum man diese Partei eigentlich wählen soll, vermag sie nicht einmal annähernd zu erklären.

Quergeschrieben
Zu den unbestrittenen Kernkompetenzen der Österreichischen Volkspartei gehört es, Wahlkämpfe verlässlich und entschlossen zu versemmeln. Selbst wenn die Ausgangslage vor einem Wahlgang günstig für die ÖVP ist (was derzeit ja nicht wirklich der Fall ist), gelingt es der Partei regelmäßig souverän, den Vorsprung in ein Handicap zu verwandeln. Warum das so ist, weiß kein Mensch, vermutlich bräuchte es einen längeren psychoanalytischen Prozess, um die Ursache dieses Phänomens (Todessehnsucht?) aufzuklären.

Auch im heurigen Wahlkampf zeigt die Partei, dass sie Wert darauf legt, an der schönen Tradition festzuhalten. Pünktlich zu Wahlkampfbeginn ziehen ÖVP-Wirtschaftsminister und ÖVP-Finanzministerin an einem Strang, wenn auch – im Streit um den Wirtschaftsstandort Österreich – in genau entgegengesetzte Richtungen, und der Parteichef beobachtet das Hauen und Stechen mit der ihm eigenen unverbindlichen Freundlichkeit. Das wird einer Partei, die vor ein paar Jahrzehnten noch Wirtschaftskompetenz für sich beanspruchen konnte, die einschlägig interessierten Wähler sicher in Scharen zutreiben. Zumal dieses Kernpublikum jeder bürgerlichen Partei ja auch noch die volkswirtschaftliche Expertise der ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner („Her mit den Millionen, her mit dem Zaster, her mit der Marie“) gut im Gedächtnis hat, die jetzt mit einer eher originellen Analyse der europäischen Schlepper-Branche für Heiterkeit sorgte.

Wie nachhaltig es der ÖVP gelungen ist, die letzten Reste des Verdachtes zu zerstreuen, sie habe den Begriff „Wirtschaft“ schon einmal gehört, zeigt das Lob, das ihr jüngst von der Arbeiterkammer zuteilwurde, die ja nicht unbedingt als Vorfeldorganisation der Volkspartei gilt. „Es ist positiv, dass die ÖVP auf die Argumente für nationale Infrastruktur-Unternehmen eingegangen ist “, pries AK-Funktionär Günther Chaloupek den „weitgehenden Verzicht auf die Forderung nach Privatisierungen“. Jetzt hat es die ÖVP also quasi amtlich von den Gralshütern des Etatismus und der Planwirtschaft, dass sie dem bösen Neoliberalismus abgeschworen hat und Teil der sozialdemokratischen Parteienfamilie geworden ist. Der auch offizielle Beitritt zur Sozialistischen Internationale dürfte nur mehr eine Frage der Zeit sein.

Dass sich die ÖVP ein paar wirtschaftsfreundlich tönende Unverbindlichkeiten in ihr Programm geschrieben hat, braucht nicht zu irritieren. Angesichts eines realistischerweise zu erwartenden Stimmenanteils von etwa 25 Prozent ist faktisch auszuschließen, dass die ÖVP eine dieser Maßnahmen in die Wirklichkeit umsetzen muss; die Ausrede, man sei ja leider in einer Koalition, wird auch in der nächsten Legislaturperiode mit Sicherheit gelten und die Partei vor allfälligen neoliberalen Anfechtungen bewahren.

Im Gegensatz zur SPÖ, die ja kein Hehl daraus macht, eine sozialistische Partei mit sozialistischen Ideen zu sein, gleicht die ideologische Substanz der Volkspartei bei näherer Betrachtung gegenwärtig einem Luftballon ohne Hülle. Warum jemand eigentlich der ÖVP seine Stimme geben soll, erschließt sich nicht wirklich.

Deshalb dürfte die ÖVP für ihre Plakatkampagne ein paar gebrauchte Sujets der Österreich-Werbung günstig erworben haben, die völlig inhaltsfrei hübsche Landschaften und Slogans wie „Österreich gehört den Optimisten“ zeigen. Aber vielleicht ist das ja auch bloß ein Fall von politischer Autosuggestion.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2013)

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