Mani, Zarathustra und der Heilige Geist

Was ist der innerste Kern der Religionen? Die Kirche sieht das Wirken des Heiligen Geistes sogar in anderen Religionen.

Mani, etwa 216 nach Christus südlich des heutigen Bagdad geboren, gründete eine Religion, die über ein Jahrtausend auf drei Kontinenten florierte – den Manichäismus. Sein Vater gehörte den Ebioniten an, jener jüdisch-christlichen Gruppe, die Jesus als Messias, nicht aber als göttliche Person anerkannte; seine Mutter kam aus einer armenisch-persischen Adelsfamilie. Mit zwölf und vierundzwanzig Jahren erhielt Mani in Visionen den Auftrag, die wahre Botschaft des Christus zu lehren. Er reiste ins heutige Afghanistan, wo er dem Hinduismus und dem Buddhismus begegnete. Mani verfasste sechs Werke in aramäischer, eines in persischer Sprache. Letzteres widmete er dem Sassanidenkönig Schapur I. Die Sassaniden jedoch blieben dem persischen Erbe des Zarathustra verbunden, und König Bahram I. nahm Mani in Gefangenschaft, wo er innerhalb eines Monats im Jahr 274 starb. Manis Anhänger stellten seinen Tod als Kreuzigung dar.

Mani lehrte, die Wirklichkeit sei gespalten in das göttliche Reich des Lichts und in ein Reich der Finsternis. Nur durch Askese können die Auserwählten erlöst werden. Sie dürfen kein Tier töten und müssen sich des Geschlechtsverkehrs enthalten, um die Lichtelemente des Lebens nicht durch Fortpflanzung im Dunkel der Materie zu halten.

In der Endzeit wird die Materie zu einem Klumpen zusammenschmelzen und das Licht endgültig von der Finsternis geschieden.

Manis Religion breitete sich rasch aus – im Westen bis Spanien, im Süden nach Nordafrika, wo Augustinus von Hippo mehrere Jahre als „Hörer“ zum äußeren Mitgliederkreis der Manichäer gehörte, bevor er zum einflussreichsten Theologen der lateinischen Kirche wurde. Im Osten gelangte die Religion bis nach China. Von Christen und Muslimen systematisch verfolgt, ging der Manichäismus unter, in China etwa im 14. Jahrhundert.

In Asien wurde Mani als wiedergekommener Buddha gesehen. Für Christen stellte er sich als jener „Beistand“ dar, den Jesus nach dem Johannesevangelium für die Zeit nach seinem Tod ankündete: den „Parakleten“, „Anwalt, Fürsprecher,“ Martin Luther übersetzte das mit „Tröster“. Die christlichen Kirchen deuteten den Parakleten als Heiligen Geist, jene göttliche Kraft, die schon die Urflut aufgewühlt hatte und die in Ewigkeit das All durchweht. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sieht die katholische Kirche das Wirken des Heiligen Geistes sogar in anderen Religionen.

Manis Geschichte ist faszinierend und sonderbar. Er verband die Religionen des Ostens und des Westens, konnte aber nicht die Materie mit Gott verbinden. Der Manichäismus ist untergegangen, doch stellt sich heute noch die Frage, wie sich die religiösen Traditionen der Welt zueinander verhalten. Was ist in meinen Augen der innerste Kern der Religionen?


Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)

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