Bericht: Konzerne spähen deutsche Patienten aus

Tabletten und ein Stethoskop zu Heilung
Tabletten und ein Stethoskop zu HeilungErwin Wodicka - BilderBox.com
  • Drucken

Ein Apothekenzentrum verkauft laut einem "Spiegel"-Bericht unzureichend verschlüsselte Patientendaten an Marktforschungsunternehmen.

In Deutschland werden nach Informationen des Magazins "Der Spiegel" Millionen Ärzte und Patienten ausgespäht. Das süddeutsche Apothekenrechenzentrum VSA in München verkaufe Patientendaten in unzureichend verschlüsselter Form an Marktforschungsunternehmen wie den US-Konzern IMS Health, berichtete das Magazin am Sonntag im Voraus. Laut "Spiegel" verfolgt das Unternehmen nach eigenen Angaben die Krankheiten von über 300 Millionen Patienten - darunter auch "42 Millionen verschiedene gesetzlich Versicherte" in Deutschland.

"Viele Patientenkarrieren sind zurück bis 1992 verfolgbar", zitierte das Magazin aus einem internen Papier. Dem "Spiegel" liegt nach eigenen Angaben ein Angebot des in mehr als hundert Ländern aktiven IMS-Konzerns an den französischen Pharmakonzern Sanofi-Aventis vom April 2012 vor. Darin biete IMS die Informationen aus Insulinrezepten für 86.400 Euro an - "patientenindividuell" und mit "zwölf Monats-Updates".

Bei der Lieferung von Rezeptdaten an IMS werde die Identität der Patienten lediglich durch einen 64-stelligen Code verschleiert, berichtete das Magazin. Der Code lasse sich jedoch leicht zurückrechnen auf die tatsächliche Versichertennummer, wie vertrauliche Dokumente belegten. Zusätzlich würden auch Alter und Geschlecht der Patienten an die Marktforscher weitergegeben.

"Einer der größten Datenskandale"

Pro Rezeptdatensatz von deutschen Versicherten zahle der amerikanische IMS-Konzern teils unter 1,5 Cent an Apothekenrechenzentren, heißt es weiter in dem Bericht. Der Handel mit Rezeptinformationen sei "einer der größten Datenskandale der Nachkriegszeit", kritisierte der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, Thilo Weichert. "Es wäre traurig, wenn die Dienstleister des Vertrauensberufs Apotheker erst durch Gerichtsprozesse zur Vertraulichkeit zu veranlassen wären."

IMS Health hat den Bericht zurückgewiesen Der Konzern erhalte von Apothekenrechenzentren in Deutschland "keine personenbezogenen Daten und benötigt diese auch nicht", erklärte das Marktforschungsunternehmen am Sonntagabend. Die "Spiegel"-Behauptung, "es würden millionenfach Patienten- und Arztdaten ausgespäht, ist falsch". Zudem sei es "unzutreffend, dass Patientenidentitäten nur verschleiert werden oder rückrechenbar seien".

(APA/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Teuere Medikamente
Österreich

Patientendaten: Korruptionsstaatsanwalt ermittelt

Wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung wird gegen Ärzte und Unternehmen ermittelt. Entscheidend wird sein, ob Ärzte als Amtsträger gelten.
Ärztin und Patientin
Wien

Patientendaten: Experte warnt vor Generalverbot

Die Weitergabe mancher Daten sei für die Koordination des Gesundheitsangebots notwendig.
Österreich

Was Ärzte für 432 Euro verkaufen

Gesundheitsdaten: Der „Presse“ liegt ein Vertrag zwischen IMS Health und einem Arzt vor. Geliefert wird nicht nur das Rezept, Alter und Geschlecht des Patienten, sondern Diagnosen, Therapien, Laborwerte und mehr.
Steirische KAGes liefert "Verbrauchsdaten" an IMS Health
Österreich

Steirische KAGes liefert "Verbrauchsdaten" an IMS Health

Eine personalisierte Verwendung oder Rückschlüsse auf Patientendaten seien bei den ausgetauschten Daten "völlig auszuschließen", sagt die steirische Krankenanstaltengesellschaft.
Österreich

Datenhandel: Verbot geplant

Reaktionen. Versicherungen und Kammern wollen Kooperation mit Marktforschern wie IMS untersagen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.