Die Kammer schließt einen zentralen Datenabfluss an US-Dienstleister aus. Österreich tickt anders: Apotheker und Ärzte liefern freiwillig gegen Honorar.
Weiß ein für die Pharmabranche tätiges Unternehmen aus den USA, welches Medikament mir mein Arzt gegen Bluthochdruck verschreibt?
Nach einem Bericht des „Spiegel“ müssen sich auch Österreicher diese Fragen stellen. Das Magazin schreibt, dass ein Rechenzentrum für deutsche Apotheken Daten über Kassenrezepte für mehrere Millionen Euro an IMS Health verkauft hat. Teilweise im Klartext, rückverfolgbar auf Ärzte und Patienten. Beide dementieren. Auch in Österreich gibt es ein vergleichbares Rechenzentrum. Auch hierzulande sammelt IMS Health Gesundheitsdaten, die der pharmazeutischen Industrie viel Geld wert sind. Aber alles der Reihe nach.
Auf Basis der Daten, die IMS Health weltweit erhebt und verkauft, planen Konzerne Strategien. Wo verkaufen sich bestimmte Medikamente gut oder schlecht? Vertrauen die Ärzte hier oder dort auf billige Generika oder teure Originale? Das Unternehmen stellt sich auf seiner Homepage als Nachrichtendienst für Konzerne dar. Von „beispielloser Datenfülle“ ist da die Rede, von „stetiger Erweiterung unserer Datenquellen“. Besonders stolz ist man auf „ausführliche und integrierte Darstellung der Entwicklungen in Bezug auf Ärzte/Krankenhäuser, Kostenträger und Patienten“. Besonders spannend für Pharma-Manager: „Business Intelligence-Tools“. Sie versprechen Marktanalysen in bisher ungeahnter Tiefe.
„Wurden nah Daten gefragt“
Neben Kostenträgern wie Krankenkassen sind derartige Informationen vor allem für Medikamentenhersteller interessant. In welcher Region schwächeln die Produkte der Konkurrenz? Wo zahlt es sich aus, die Außendienstmitarbeiter noch einmal in die Arztpraxen zu schicken? Alles Fragen, zu denen IMS Health (mutmaßlich) die Antworten weiß.
Hauptgeschäft des US-Konzerns, der seine „World-Division“ von London aus steuert, einen größeren Firmensitz im deutschen Frankfurt und eine kleine Dependance im 15. Wiener Gemeindebezirk (Europaplatz) betreut, sind Daten. Im deutschen Skandal geht es um Rezeptdaten, die hierzulande die sogenannte Pharmazeutische Gehaltskasse verarbeitet. Hierhin schicken alle 1292 Apotheken ihre Rezepte. Vier Tage später wird – via Zwischenfinanzierung – ausgezahlt, die Verrechnung erledigt die Gehaltskasse mit dem Hauptverband.
Angesprochen auf die Vorgänge in Deutschland wird Gehaltskassen-Obmann Gottfried Bahr deutlich: „Außer dem Hauptverband bekommt unsere Rezeptdaten niemand“, sagt er. Und das obwohl Dienstleister wie IMS Health in der Vergangenheit mehrfach Wünsche in Bezug auf den Datenschatz der Gehaltskasse angemeldet hätten. Bahr: „Wir wurden immer wieder danach gefragt.“ Und weiter: „Und jedes Mal haben wir abgelehnt.“
Für die „stetige Erweiterung unserer Datenquellen“ geht IMS Health in Österreich andere Wege. Ein Mitglied der Apothekerkammer berichtet der „Presse“ von etwa 280 Apotheken, die gegen Honorar direkt Verkaufsdaten an IMS liefern. Ohne Namen der Patienten, aber mit Standort der Apotheke. Was in dünn besiedelten Regionen Rückschlüsse auf die Verschreibepraxis der ansässigen Ärzte zulasse.
300 Euro Honorar
Ähnliche Programme laufen laut ORF-Radio mit 350 Ärzten, die ebenfalls gegen Bezahlung Rezeptdaten liefern.
Erika Sander, Prokuristin bei IMS Österreich, bestätigt und bestreitet das zugleich. Ja, ihr Unternehmen bezahle Ärzte und Apotheker mit etwa 300 Euro im Jahr, dass sie anonymisierte Daten liefern. Aber nein, Daten zu Namen und Standorten von Praxis oder Apotheke würden nicht an die Pharmabranche weiterverkauft. Die Käufer der Analysen könnten die Daten lediglich nach fünf (Ärzte) oder acht (Apotheken) Auswertungsregionen rastern. Niemals seien Rückschlüsse auf Praxen oder gar Patienten möglich.
Die Ärztekammer will die Vorgänge nun prüfen.