Nur eine Träne für das "Familiensilber": Verkauf wird in Norwegen gelobt

Statoil-Chef Helge Lund
Statoil-Chef Helge Lund(c) EPA (Aaserund Lise)
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Die teilprivate Statoil will die Einnahmen des OMV-Deals in noch lukrativere Projekte investieren.

Oslo. „Hier verkauft er unser Familiensilber“, betitelte das norwegische Wirtschaftsblatt „Dagens Næringsliv“ auf seiner Website ein Foto von Statoil-Chef Helge Lund bei der Ankündigung des OMV-Geschäfts. Doch die Träne über den Abverkauf im Gullfaks-Ölfeld ist schnell getrocknet. Von heimischen Kommentatoren erhält Lund viel Anerkennung für die Strategie, Kapital freizumachen für noch lukrativere Projekte. Statoil hat im norwegischen Sockel, aber auch in Brasilien und Tansania große Öl- und Gasfunde gemacht und will sich künftig stärker auf die „Kernbereiche“ konzentrieren.

Dazu gehören die Minderheitsbeteiligungen im britischen Nordsee-Sockel nicht, weshalb Statoil seine Anteile an den Entwicklungsprojekten in Schiehallion und Rosebank an die OMV abtritt. Beim norwegischen Öl- und Gasfeld Gudrun, das 2014 produktionsreif sein soll, behält Statoil seine Rolle als Operateur, reduziert seinen Eigneranteil aber von 75 auf 51 Prozent. 51 Prozent halten die Norweger künftig auch auf Gullflaks, und die Reduzierung dort weckt Emotionen. Schließlich war das Öl- und Gasfeld das erste, das einst zu hundert Prozent in norwegischer Hand war – und das erste, in dem Statoil selbst für Ausbau und Betrieb verantwortlich war.

Doch für Nostalgie ist kein Platz im Ölgeschäft. Jetzt gehe es darum, sich in anderen Feldern zu positionieren, meinen die Ölmakler. „Durch den Verkauf an OMV bereitet sich Statoil voraussichtlich auf eine Aufstockung des Eigneranteils in Schlüsselgebieten wie den Utsira-Höhen und Johan Sverdrup vor“, analysiert Swedbank First Securities. Vor allem das Sverdrup-Feld in der Nordsee gilt als Hoffnungsgebiet und kann das zweitgrößte Nordsee-Reservoir nach dem Ekofisk-Feld sein, auf dem einst das norwegische Ölmärchen begann.

Die knapp zwei Milliarden Euro, die Statoil als Verkaufspreis von der OMV erhält, wirbeln bei einem Konzern, der im Vorjahr über 90 Milliarden Euro umsetzte, nicht die Bilanzen durcheinander. Doch „zwei Milliarden Euro sind auch für uns viel Geld“, sagt Helge Lund. „Das gibt uns größere finanzielle Flexibilität, verringert unsere Schulden und macht uns so robuster in einer unsicheren Weltwirtschaft.“ Man realisiere „gute Werte“ aus den Feldern in Großbritannien und Norwegen und wolle diese Mittel in neue Projekte „auf dem norwegischen Sockel und anderswo“ investieren. Zu den 2,65 Milliarden Dollar Verkaufspreis kommen weitere sieben Milliarden Dollar an Investitionsverpflichtungen, die man sich nun erspart. „Auf dieser Basis können wir in Projekte investieren, die noch höhere Rentabilität haben“, meint Lund.

Der 1972 gegründete Staatskonzern ist seit der 2007 erfolgten Fusion mit der Öl- und Gassparte der halb privaten Norsk Hydro noch zu 67 Prozent in öffentlicher Hand. Er ist mit knapp 30.000 Beschäftigten Norwegens größtes Unternehmen, der größte Operateur auf dem norwegischen Kontinentalsockel, aber auch ein globaler Akteur mit Engagements von Angola bis Iran, Russland bis Venezuela, Kanada bis China, Libyen bis Aserbaidschan. Vor allem in der Tiefwasserbohrung in arktischen Gewässern gelten die Norweger als weltweit führende Experten.

Für die OMV gibt es freundliche Worte. Die Österreicher seien ein „geschätzter Partner“ in den Feldern Edvard Grieg und Aasta Hansteen, und das neue Kooperationsabkommen biete die Möglichkeit, die Zusammenarbeit auszubauen, sagte Lund bei der Präsentation des Deals. Auf welchen Projekten künftig das Hauptaugenmerk liegen soll, wollte er nicht verraten. Obwohl fallende Öl- und Gaspreise die jüngsten Bilanzen trübten und der Gewinn im zweiten Quartal um 17 Prozent schrumpfte, stellt man enorme Summen für Investitionen bereit. Sie sollen in den kommenden fünf Jahren rund 80 Milliarden Euro betragen.

Aktienkurs zog leicht an

Diese Verpflichtungen lasten auf dem Aktienkurs. Dies sei mit ein Grund für den Abverkauf, meinen Analysten, die den Preis, der nach einer Auktionsrunde mit mehreren Interessenten zustande kam, als „sehr günstig“ bezeichnen. „Das ist die Antwort auf die Sorgen der Anleger über die hohen Investitionen und den Mangel an Cashflow“, sagt Trond Omdal, Ölanalyst bei Arctic Securities. Die Erwartung sei, dass Statoil auch künftig periphere Beteiligungen abstoßen werde.

Die Statoil-Aktie zog am Montag an der Börse in Oslo an, liegt aber mit 130 Kronen weiterhin unter dem von Experten ausgegebenen Richtwert von 140 bis 145 Kronen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2013)

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