Der Ölkonzern OMV kauft für zwei Milliarden Euro vier Ölfeld-Beteiligungen in der Nordsee. Es ist dies nicht nur der größte Kauf in der heimischen Industriegeschichte. Es ist auch ein Strategiewechsel für die OMV.
Wien. „Wenn Sie sich die Bilder aus Ägypten, Tunesien, Libyen oder dem Jemen ansehen, dann sieht man, dass das Thema Sicherheit bei der Energieversorgung sehr wichtig ist.“ Dies ist der entscheidende Satz von OMV-Chef Gerhard Roiss während der Pressekonferenz am Montag. Soeben hat der Konzern bekannt gegeben, um 2,65 Milliarden US-Dollar (1,97 Milliarden Euro) Beteiligungen an vier Ölfeldern in der Nordsee vom norwegischen Ölkonzern Statoil gekauft zu haben. Das ist jedoch nicht nur „die größte Akquisition in der Industriegeschichte Österreichs“, wie Roiss meint. Es ist auch der Ausdruck einer gewandelten Strategie des Energiekonzerns.
Noch vor zwei Jahren lag der Fokus der OMV nämlich 4000 Kilometer weiter südöstlich: in der Region zwischen Kaspischer See und Nahem Osten. Damals hatte der Konzern gerade die Tankstellenkette Petrol Ofisi in der Türkei übernommen – als Brückenkopf für den Einstieg in „profitable Explorationsprojekte“ in Ländern wie Aserbaidschan, Turkmenistan oder dem Irak, wie Wolfgang Ruttenstorfer, der Vorgänger von Roiss an der Spitze der OMV, vor Ort meinte.
Kein Glück in Aserbaidschan
Doch seither hat sich einiges geändert. So brachte der Arabische Frühling nicht nur Unsicherheit über die politische Zukunft vieler Länder in der Region. Er führte im für die OMV wichtigen Förderland Libyen auch zu monatelangen Produktionsausfällen. Zudem unterlag die von der OMV initiierte Pipeline Nabucco erst kürzlich dem Konkurrenzprojekt TAP beim Transportauftrag für große Gasfunde aus Aserbaidschan nach Europa (entscheidender Anteilseigner bei TAP ist übrigens just Statoil).
2011 habe man noch überlegt, das Engagement in Ägypten zu stärken, so Roiss gestern. „Wir haben das nicht gemacht, und das war eine gute Entscheidung.“ Wichtig sei nun hingegen gewesen, „in einer politisch stabilen Region zu wachsen“, erklärt der Konzernchef den strategischen Hintergrund der Norderweiterung der OMV. Und dieses Wachstum soll nun auch mit großen Schritten erfolgen.
So will die OMV bereits im kommenden Jahr 40.000 Fass Öl pro Tag in den neuen Nordseeprojekten fördern. Dies wäre bereits mehr als die Produktion in Libyen von 33.000 Fass pro Tag. Bis 2020 sollen in der Nordsee sogar 150.000 Fass pro Tag für die OMV aus dem Boden geholt werden – die Hälfte der heutigen Gesamtproduktion der OMV von 300.000 Fass pro Tag.
Die Nordsee sei nun einer der Kernmärkte der OMV, neben Mitteleuropa und dem Schwarzen Meer, so Roiss. Auch vor zwei Jahren wurden von der OMV drei Kernmärkte genannt – allerdings hieß der dritte Markt damals noch Türkei. Dort wollte die OMV nicht nur mit Tankstellen, sondern auch mit Gaskraftwerken reüssieren. Ein Geschäft, das aufgrund der niedrigen Kohlepreise inzwischen in ganz Europa nur Verluste bringt.
Was dieser Strategiewandel für die Aktivitäten der OMV in der Türkei und den umliegenden Ländern bedeutet, will man bei der OMV noch nicht offen sagen. „Wir glauben, dass es bei Beteiligungen künftig mehr Mobilität geben wird“, meint Roiss kryptisch.
Kauf ohne Kredite
Denn geändert hat sich nicht nur der geografische Fokus bei dem Unternehmen. Schon seit Längerem gilt auch die Devise, sich aus dem weitgehend unprofitablen Raffinerie- und Tankstellengeschäft zurückzuziehen und das hoch profitable Rohölgeschäft auszubauen. So wurde auch der jetzige Kauf neben Kosteneinsparungen und dem Cashflow mit dem Verkauf von Tankstellen in Bosnien und Kroatien finanziert.
Da die neuen Beteiligungen bereits 2014 einen Beitrag zum Betriebsergebnis in Höhe von 500 Millionen Dollar bringen sollen, werde sich das weitere Wachstum quasi „von selbst“ finanzieren, so Roiss. An der Börse dürfte man den Erwartungen aber nicht ganz trauen. Die Aktien der OMV rutschten deutlich ins Minus.
Auf einen Blick
Für 2,65 Milliarden Dollar
(1,97 Milliarden Euro) kauft der heimische Ölkonzern OMV vier Beteiligungen an Nordsee-Ölfeldern vom norwegischen Ölkonzern Statoil. Bis 2020 soll mit 150.000 Fass pro Tag die Hälfte der jetzigen Tagesproduktion (300.000 Fass pro Tag) aus der Region kommen. In Summe erwirbt die OMV Reserven von 320 Millionen Fass Öl – die dreifache Jahresproduktion des Konzerns.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2013)