Österreich importiert mehr Strom als aus Wasserkraft erzeugt wird

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Die Stromimporte Österreichs sind im Sommer auf fast fünfzig Prozent des Verbrauchs gestiegen. Dies birgt langfristig Gefahren, so der Netzbetreiber APG.

Wien/jaz. „Wenn es Hochwasser gibt - wie heuer im Frühsommer - dann glauben viele Leute, dass jetzt besonders viel Strom produziert wird. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es wird gar nichts produziert." Gerhard Christiner, Vorstand des heimischen Übertragungsnetzbetreibers APG, macht sich deswegen jedoch nicht Sorgen um die Gewinne der heimischen Energieversorger. Vielmehr sei die heuer stark gesunkene Wasserkraftproduktion eine Gefahr für die Stabilität des Netzes, so Christiner am Dienstag vor Journalisten.
Denn nicht nur das Hochwasser verringerte die Erzeugung. Ab Juli hielt die Hitzewelle das Land fest im Griff und trocknete die Flüsse aus. Die Produktion in den heimischen Laufwasserkraftwerken sank dadurch von 4,3 auf 2,9 Gigawatt ab. Normalerweise wäre dies kein Problem, da thermische Kraftwerke die sich öffnende Lücke wieder schließen könnten. Aber nicht heuer: So haben die Energieversorger bereits im Frühjahr angekündigt, ihre Gaskraftwerke über den Sommer einzumotten. Aufgrund des teuren Gases und des niedrigen Strompreises sind mit diesen vor allem im Sommer, da die Wärme nicht ebenfalls verkauft werden kann, nur Verluste zu produzieren.

Grenzen als Nadelöhre

Die Folge: Stromimporte - allen voran aus Deutschland - stiegen rasant an. „Seit Mai importiert Österreich durchgehend Strom. 24 Stunden am Tag", sagt Christiner. Zeitweise machten die Importe mit 3,4 Gigawatt bereits die Hälfte des heimischen Bedarfs im Sommer von durchschnittlich sieben Gigawatt aus - und lag damit auch über der durch Wasserkraft produzierten Menge.
Nun ist es grundsätzlich in einem liberalisierten Markt ja auch kein Problem, wenn der Strombedarf zum Teil durch Importe gedeckt wird. Da die Grenze jedoch immer noch ein Nadelöhr darstellen, könnte die steigende Importabhängigkeit langfristig zur Gefahr werden. „Wir mussten allein im zweiten Quartal über 200 Mal den Zukauf von Strom durch österreichische Firmen an der Börse in Deutschland untersagen, weil wir den Strom schlicht nicht ins Land gebracht hätten."
Die APG beauftragte daher EVN und Verbund das gemeinsame Kraftwerk Dürnrohr doch in die Höhe zu fahren, um eine Entlastung für das Netz zu erhalten. Eine Situation, die in Zukunft zum Dauerzustand werden könnte: So gäbe es bei der APG Überlegungen, ähnlich wie es der deutsche Netzbetreiber Tennet bereits macht, Gaskraftbetreiber dafür zu zahlen, das sie ihre Kraftwerke in Bereitschaft halten und bei Bedarf kurzfristig einschalten. „Das bedeutet dann aber weniger Markt und mehr dirigistische Eingriffe von uns. Und höhere Kosten für die Kunden", so Christiner.
Die APG plädiert daher stattdessen dafür, dass die Ursachen der derzeitigen Verwerfungen am europäischen Energiemarkt bereinigt werden. Und dazu gehört unter anderem der „nicht synchrone Ausbau von Netzen und erneuerbarer Erzeugung". So sind in Deutschland bereits über 60 Gigawatt an Fotovoltaik- und Windkraftkapazität vorhanden. An schwachen Tagen benötigt das Land jedoch nur 50 Gigawatt. Der Rest muss - zusätzlich zum AKW-Grundlaststrom - irgendwo anders Abnehmer finden. Dies ist jedoch oft nicht möglich, da die Leitungen fehlen. So wird heute schon Windstrom aus Norddeutschland über Polen, Tschechien und Österreich nach Bayern geleitet.

1000 Megawatt um ein Uhr früh

Da der erneuerbare Strom aufgrund der nicht vorhandenen Brennstoffkosten den Strompreis an der Börse senkt, ergibt sich das Problem, dass oft nur noch erneuerbarer Strom verfügbar ist, dieser aber nicht zu den Abnehmern geleitet werden kann. Hinzu kommt die Volatilität der Erzeugung: So erhöhte sich erst Ende Juni aufgrund einer Gewitterfront die heimische Windkraftproduktion schlagartig von 0,2 auf 1,2 Gigawatt. „Das ganze geschah um ein Uhr in der Früh. Da gab es schlicht keine Abnehmer für den Strom."
Ein Problem, das sich auch innerhalb von Österreich in den kommenden Jahren verschärfen kann. So wird vor allem in Niederösterreich die Windkraft massiv ausgebaut. Um eine mögliche Überproduktion zu den Pumpspeicherkraftwerken in den Alpen zu transportieren, reichen die bestehenden Leitungen jedoch nicht aus (siehe Grafik). Die APG plant daher schon seit Jahren an der Salzburg-Leitung, die zur Zeit in der Umweltverträglichkeitsprüfung ist. Ein Projekt mit vielen Gegnern. So habe es bereits über 1000 Einsprüche gegeben, sagt Christiner.

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