Debatte: Die (un)beliebte Ganztagsschule

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Symbolbild(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Österreichweit bieten lediglich 126 Schulen verschränkten Ganztagsunterricht an. Teilweise wird das Projekt von den Lehrern blockiert, teils auch von den Eltern.

Wien. Sollen Kinder den ganzen Tag in der Schule verbringen? Oder sollen sie – zumindest an manchen Wochentagen – zu Mittag nach Hause zu den Eltern geschickt werden? An diesen Fragen scheiden sich die Geister – auch die der politischen Parteien.

Die SPÖ hält die Ganztagsschulen für „sozial gerechter“ und sieht diese am liebsten in verschränkter Form. Es sollten sich also Unterricht und Freizeit über den Tag hinweg abwechseln. Für die Kinder heißt das, dass sie täglich mindestens bis 16 Uhr in der Schule sein müssen. Die ÖVP kann dem Konzept der verschränkten Ganztagsschule nur wenig abgewinnen und bevorzugt den Ausbau der reinen Nachmittagsbetreuung. So könnten Schüler auch nur an einzelnen Tagen, wenn Bedarf besteht, in die Betreuung geschickt werden.

Der Ausbau der verschränkten Ganztagsschule geht jedenfalls nur schleppend voran. Das zeigen aktuelle Zahlen aus dem Unterrichtsministerium: Zwar ist die Zahl der Schulen, die – zumindest teilweise – verschränkte Klassen führen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Immer noch bieten nur 126 der mehr als 5000 Standorte eine solche Art des Unterrichts an (siehe Grafik). Lediglich 16.300 Schüler werden verschränkt betreut. Stellt sich die Frage, woran das (abgesehen von der politischen Uneinigkeit) liegt.

Eine entscheidende Rolle spielen da wohl die Lehrer. Denn zwei Drittel von ihnen müssen zustimmen, um eine Klasse in der verschränkten Form zu führen. Manche Pädagogen würden sich mit dem „Bruch von Gewohnheiten“ schwertun, sagt Klaus Tasch, Direktor der NMS Klusemannstraße in Graz, der gestern von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ins Ministerium geladen wurde. Er sollte seine Schule als Vorzeigemodell präsentieren. Die Veränderungen, die sich durch den verschränkten Unterricht ergeben, seien für viele Lehrer eine Herausforderung, sagt Tasch. An seiner Schule gebe es etwa keine 50-minütigen Einheiten mehr. Auch geänderte Arbeitszeiten würden teilweise für Unmut sorgen, sagt Stefan Giegler, Direktor der Europaschule Linz. Durch die ganztägige Betreuung müssten die Lehrer bis 16 Uhr anwesend sein. In seinem Kollegium seien nicht alle bereit gewesen, diese Veränderungen mitzutragen, so Giegler. Ein Kollege habe ihm etwa erklärt, dass er den Nachmittag lieber mit seinen eigenen Kindern verbringen wolle. „Er übersieht, dass nicht alle Österreicher einen Lehrerjob haben und ihrer Kinder am Nachmittag betreuen können“, so Giegler.

Sprengelgrenzen abschaffen

Manche Eltern können (und wollen) aber genau das: ihre Kinder zu Hause betreuen. So veröffentlichte die niederösterreichische ÖVP ausgerechnet ebenfalls gestern die Ergebnisse einer Umfrage unter niederösterreichischen Eltern: Demnach sprechen sich 52 Prozent der Eltern von Schulkindern und 78 Prozent der Eltern von Kindergartenkindern gegen die verschränkte Ganztagsschule aus. Damit eine Klasse verschränkt geführt wird, müssen aber auch die Eltern zu zwei Dritteln dafür sein.

„Der Wunsch der Eltern ist zu akzeptieren“, sagt Schmied. Sie fügt aber hinzu, dass „gesellschaftliche Überzeugungsarbeit“ geleistet werden müsse, um Eltern diese Schulform schmackhaft zu machen. Zudem sollen die Sprengelgrenzen abgeschafft werden, damit mehr Kinder eine Ganztagsschule besuchen können – auch wenn es eine solche nur im Nachbarort gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2013)

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