Bei Angriffen in der Nähe von Damaskus soll die Armee Chemiewaffen eingesetzt haben. Die Regierung dementiert die Vorwürfe vehement.
Die syrische Opposition wirft der Staatsführung vor, bei Angriffen am Mittwoch in der Nähe von Damaskus Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Es soll sich um Raketen gehandelt haben, die mit Nervengas bestückt waren. Dabei könnten mehr als 1300 Menschen gestorben sein. Dies sagte der syrische Oppositionelle George Sabra in Instabul. In ersten Berichten war noch von 494 bis 755 Todesopfern die Rede gewesen. 90 Prozent der Toten sollen durch das Gas verursacht worden sein, der Rest durch konventionelle Waffen.
Bald tauchten im Internet zahlreiche Bilder und Videos auf, die Menschen im Todeskampf zeigen, ohne sichtbare äußere Wunden. Auf anderen Bildern sind ganze Reihen von Leichen zu sehen, darunter auch viele Kinder. Syrische Ärzte sagten dem nachrichtensender al-Arabiya, sie hätten wegen der Blockade durch die Armee kaum Medikamente, um die Verletzten zu behandeln.
"Unter den Opfern sind viele Frauen und Kinder", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters eine Krankenschwester: "Sie kamen mit geweiteten Pupillen, kalten Gliedmaßen und Schaum im Mund hier an. Die Ärzte sagen, dies seien die typischen Symptome von Nervengas-Opfern."
Türkei: "Verbrechen gegen Menschlichkeit"
Die Angriffe erfolgten nach Angaben verschiedener Oppositionskräfte in den frühen Morgenstunden, etwa gegen drei Uhr, in der Region Ghouta, rund 15 Minuten von der syrischen Hauptstadt Damaskus entfernt. Dort halten sich zur Zeit auch UN-Inspektoren auf, die schon länger zurückliegende Vorfälle von möglichem Chemiewaffeneinsatz untersuchen sollen. Ihre Bewegungsfreiheit war bisher auf drei Orte beschränkt.
Frankreich und Großbritannien forderten umgehend, dass die Inspektoren auch das Areal des Angriffs vom Mittwoch inspizieren sollen. Ähnlich äußerten sich Schwedens Außenminister Carl Bildt, und Nabil El-Arabi, der Chef der Arabischen Liga, und am frühen Abend auch die USA.
Dringlichkeitssitzung am Abend
Ake Sellström, der Chef des UN-Teams, sprach sich denn auch umgehend für eine Inspektion aus: "Die erwähnte hohe Anzahl Verletzter und Getöteter klingt verdächtig. Es klingt wie etwas, das man untersuchen sollte", zitierte ihn die schwedische Nachrichtenagentur TT. Für eine Untersuchung müsste sich laut Sellström ein UNO-Mitgliedstaat an den UN-Generalsekretär wenden.
Auch die türkische Regierung setzte sich für eine sofortige Untersuchung ein: "Wenn diese Vorwürfe sich als wahr herausstellen, dann ist es unvermeidlich, dass die Staatengemeinschaft die nötige Antwort auf diese Barbarei und dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt", hieß es in einem Statement des Außenministeriums. Die saudische Regierung forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates. Diese wurde noch für Mittwochabend angesetzt.
Regierung: "Vorwürfe sind fabriziert"
Die Regierung in Damaskus weist die Vorwürfe vehement zurück. Die Berichte entbehrten jeglicher Grundlage, berichtete das staatliche Fernsehen am Mittwoch unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle. Die Vorwürfe zielten vielmehr darauf ab, die Aufmerksamkeit der UNO-Chemiewaffenexperten auf sich zu ziehen. Informationsminister Omran Zoabi sagte, die Vorwürfe seien "unlogisch und fabriziert".
Auch Russland zweifelte an der Darstellung und forderte eine "faire und professionelle Untersuchung": Ein Sprecher des Außenministeriums sprach von einer "kalkulierten Provokation". Dies liege nahe, da sich der Vorfall nahe Damaskus abgespielt habe und just in dem Moment, als UN-Experten im Land zu arbeiten begonnen hätten.
Die syrischen Behörden und Rebellen werfen einander gegenseitig den Einsatz von Chemiewaffen in dem seit zwei Jahren andauernden Bürgerkrieg vor, bei dem laut UN-Angaben bisher schon mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen sind und rund zwei Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen sind.
(APA/Reuters/Red.)