Diskussion um Arbeitszeit nach Tod eines Praktikanten

A man is silhouetted, as he passes the Swiss RE building in the City of London
A man is silhouetted, as he passes the Swiss RE building in the City of LondonREUTERS
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Das Durcharbeiten ganzer Nächte ist für Bank-Praktikanten in London nichts ungewöhnliches. Der Tod eines Deutschen sorgt nun jedoch für Kritik daran.

Der Tod eines Praktikanten, der in den Tagen zuvor extrem viel gearbeitet hatte, sorgt in London weiter für Aufregung. Woran der 21-jährige Deutsche wirklich gestorben ist, kann zwar immer noch nicht gesagt werden. Bis zu drei Wochen könnte die Untersuchung dauern, heißt es dazu aus der Londoner Gerichtsmedizin. Da jedoch vieles darauf hindeutet, dass es einen direkten Zusammenhang mit den langen Arbeitszeiten des Praktikanten gegeben hat, ist darüber eine große Diskussion entbrannt, die auch bereits die EU-Kommission in Brüssel erfasste.

Ende vergangenener Woche war der junge Mann tot in seiner Dusche aufgefunden worden. Laut Mitbewohnern und Kollegen hat er die drei Tage zuvor bei seinem Praktikum bei der Bank of America Merrill Lynch fast durchgehend durchgearbeitet. Arbeitstage von 15 Stunden seien die Regel, mitunter werde aber auch die ganze Nacht bis in den Morgen durchgearbeitet, erzählen andere Praktikanten in britischen Zeitungen. "Die lassen dich arbeiten wie verrückt, vielleicht war am Ende alles zu viel für ihn", zitierte der "Daily Telegraph" einen anderen Praktikanten.

Kritik von Ärzten

Ärzte und Personalexperten melden sich nun mit Kritik an den gängigen Arbeitszeiten zu Wort. "Die Probleme haben sich in den vergangenen fünf Jahren verschlimmert. Und es geht dabei nicht nur um Investmentbanken. Auch Anwaltskanzleien und Technologiefirmen haben solche Zeiten", sagt die Stress- und Schlaf-Therapeutin Nerina Ramlakhan zum "Independent". Ein Patient habe über fünf Jahre hindurch immer wieder die Arbeit unterbrochen, um sich zu erholen. "Doch sobald er wieder fit genug war, an den Arbeitsplatz zurückzukehren, kamen die Probleme zurück."

Vor allem unter jungen Mitarbeitern und Praktikanten sind viele Überstunden die Regel. Sie wollen sich einerseits durch Leistung profilieren, und haben andererseits oft noch zu wenig Erfahrung, weshalb sie für Tätigkeiten länger benötigen. So zeichnet die Selbstbeschreibung des verstorbenen Deutschen auch weniger das Bild eines Opfers von "Sklavenarbeit" als vielmehr jenes eines vielleicht zu motivierten Karrieristen. So schrieb der BWL-Student im Internet über sich selbst, dass er "hoch kompetitiv und ehrgeizig" sei. Von seinen Eltern sei er dazu erzogen worden, "in jeder Beziehung herausragend zu sein". Zudem war das Praktikum mit einem Gehalt von 2700 Pfund pro Monat für einen Studenten sehr gut bezahlt - mit Aussicht auf einen noch viel besser bezahlten Fixjob.

EU-Kommissar twitterte

Doch auch unter den Praktikanten zeigt sich Unbehagen mit den Arbeitszeiten. Wenn auch anonym und im Internet. So schrieb ein Praktikant auf einer Diskussionsplattform: "War für eine traurige Sache. Das zeigt, dass die Vorgesetzten mehr Verantwortung zeigen, und die Praktikanten nach einer gewissen Zeit auch nach Hause schicken müssen." Ähnlich sieht man das auch bei der EU-Kommission. So twitterte EU-Arbeitskommissar Laszlo Andor: "Die Ausbeutung der Jugend ist unakzeptabel. Der tragische Tod des Praktikanten zeigt, wie Praktika nicht aussehen sollten."

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(jaz)

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