Gesundheitsdaten: Der „Presse“ liegt ein Vertrag zwischen IMS Health und einem Arzt vor. Geliefert wird nicht nur das Rezept, Alter und Geschlecht des Patienten, sondern Diagnosen, Therapien, Laborwerte und mehr.
Verschreibungsdaten, Altersgruppe und Geschlecht. Diese Daten will der Österreich-Ableger des US-Pharma-Marktforschers IMS Health laut eigenen Aussagen bei Ärzten eingekauft haben. Hinzu kommen detaillierte Verkaufsdaten von Medikamenten bei allen Pharmagroßhändlern, 280 Apotheken und bis zu 150 Spitälern. Alles, so wird versichert, ohne die Namen der Patienten.
Qualität und Tiefe der Daten, die die 850 Ärzte liefern, dürften jedoch weit über das zugegebene Maß hinaus gehen. Das ist zumindest aus den Verträgen herauszulesen, die die teilnehmenden Mediziner unterschrieben.
Der „Presse“ liegt ein derartiger Vertrag vor. Er ist gezeichnet mit dem Namen der Österreich-Verantwortlichen von IMS. In dem Vertrag verpflichtet sich der Arzt, die Daten seiner Patienten monatlich und für mindestens ein Jahr zu liefern. Lohn: 12 Mal 30 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer, 432 Euro brutto im Jahr.
Was der Praxisbetreiber dafür hergibt? Fast alles. Die Liste ist lang. Sie beginnt mit Patientennummer, Geschlecht, Geburtsjahr und Krankenscheinart. Hinzu kommen Dauer- und Akutdiagnosen des Arztes sowie – im Vertrag fett hervorgehoben – „alle Verordnungen“. Gemeint sind Erstverordnungen, Wiederverordnungen, Umstellungen sowie das Absetzen von Medikamenten. Fett und unterstrichen ist der Vertragspunkt, dass jedes Rezept der jeweiligen Diagnose zugeordnet sein muss. Doch das ist nicht alles.
Weiters verlangt IMS Angaben über die Dosierung, Informationen zu Überweisungen an andere Ärzte, über Therapien, Therapiewechsel und Therapieabbrüche. Inklusive der dazugehörenden Begründungen. Beim ersten Übersenden der Daten muss der Arzt all diese Informationen zusätzlich für das vorangegangene Quartal mitschicken. Abschließend verpflichtet er sich zum Versand „aller erhobenen Laborwerte“. Kurzum: IMS bekommt die gesamte Patientenakte.
Doch der Arzt verkauft für die 432 Euro auch sich selbst, gibt alle Informationen über sich, seine Praxis, Fachgebiete, Hausapotheke und Mitarbeiter preis.
„Monatlich nur 5 Minuten Zeit“
Gleichzeitig tritt der Unterzeichner alle Ansprüche auf die Daten ab. Er verzichtet, die Daten auch anderen – zum Beispiel IMS-Konkurrenten – zur Verfügung zu stellen. Das Urheberrecht gibt er ab, erlaubt IMS, die Daten, ohne weitere Spezifizierung, „zu nutzen, zu verwerten und zu verarbeiten sowie Dritten Nutzungs- und Verwertungsrechte daran einzuräumen“.
Der Aufwand für die Ärzte ist gering. Der „Presse“ liegt ein Schreiben von IMS und seinem Partner CompuMed vor, in dem deutsche Ärzte um die Übermittlung von Daten zu den Diagnosen und Verschreibungen gebeten werden. Dafür müssen sie auf ihrem Computer die Software des Datensammlers installieren. Die Übermittlung erfordere „monatlich nur ca. 5 Min. Zeit“. Zitat: „Ein Knopfdruck genügt, und Ihre Praxisinformationen werden zur Analyse an IMS weitergeleitet.“ Anders als in Österreich erhalten Ärzte in Deutschland nur 240 Euro jährlich.
IMS betont stets, die Identitäten der Patienten nicht zu kennen. Technisch möglich wäre genau dies: Das sagt Georg Markus Kainz, Obmann des Datenschutzvereins Quintessenz. „Die Möglichkeiten, Analysen und Auswertungen über diese Daten zu machen steigt, wenn Daten aus unterschiedlichen Quellen hinzugefügt werden.“ In diesem Zusammenhang erinnert er an die irrtümliche Veröffentlichung von Patientendaten der Tiroler Gebietskrankenkassen im Internet.
