Anglo-französische Front gegen Assad

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Nach Frankreich gibt sich auch Großbritannien überzeugt, dass das Assad-Regime Chemiewaffen einsetzte. Die UN-Inspektoren in Damaskus sind zum Nichtstun verdammt.

Wien/Damaskus/Red. Während US-Präsident Barack Obama sich in Washington noch im Lavieren übte, wagte sich die britische Regierung am Freitag weit vor: „Wir glauben, dass es sich um einen chemischen Angriff des Assad-Regimes handelt“, sagte Außenminister William Hague über den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien vom Mittwoch. Die Chancen, dass es sich um eine Verschwörung der syrischen Opposition handelte, seien verschwindend gering. Es habe den Anschein, als habe das Assad-Regime etwas zu verbergen.

Seit dem verheerenden Angriff mit bis zu 1300 Todesopfern und tausenden Verletzten, sind es immer wieder London und Paris, die – neben Ankara – verbal die Initiative ergreifen. Sie waren die Ersten, die dafür plädierten, dass die UN-Inspektoren auch den Ort dieses Angriffs untersuchen müssten, obwohl das von ihrem Mandat nicht gedeckt ist. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius forderte am Donnerstag – offenbar mit Blick auf das Regime in Damaskus – ein „Signal der Stärke“, selbst wenn es keine Einigung im UN-Sicherheitsrat gebe. Am Freitag folgte dann eben Hague mit seiner klaren Ansage.

Es ist dieselbe Konstellation wie 2011 vor den Nato-Angriffen auf Libyen: Auch damals waren Paris und London vorgeprescht und hatten die USA, deren Unterstützung militärisch unerlässlich war, hinter sich hergezogen. Und auch diesmal bremst Washington: „Wir müssen strategisch nachdenken, was in unserem langfristigen nationalen Interesse ist“, sagte Obama am Freitag. Man müsse nicht immer sofort eingreifen.

Machtlose Inspektoren

Sogar Russland hatte am Mittwoch etwas Druck auf seinen Verbündeten Damaskus ausgeübt und gefordert, dass die UN-Inspektoren den Angriff untersuchen sollen. Wenig später sagte Moskau aber, dass die Rebellen dies verhindern würden.

Zum Nichtstun verurteilt sitzen derweil Åke Sellström und sein 19-köpfiges Team der UN-Waffeninspektoren in einem Fünfsternehotel in Damaskus, keine zehn Kilometer entfernt vom Tatort – den Vorstädten Zamalka und Ain Tarba im Osten der Hauptstadt. Der schwedische Chef der Expertenkommission, ein Histologe, und seine Crew waren erst am Sonntag eingetroffen. Via TV verfolgten sie die Berichte über das mutmaßliche Giftgasmassaker, das sich in den frühen Morgenstunden am Mittwoch zugetragen haben soll.

Das Mandat schränkt Sellström und Co. massiv ein. Es gewährt ihnen lediglich die Befugnis, drei Stätten angeblicher Chemiewaffenangriffe nahe der Stadt Aleppo zu besuchen – wo sich die Spuren des Nervengifts Sarin mittlerweile längst aufgelöst haben. Denn die wechselseitigen Vorwürfe von Armee und Rebellen beziehen sich auf das Frühjahr. Erst nach monatelangem Ringen hatte das Assad-Regime einer Inspektion des UN-Teams zugestimmt, was die UNO prompt als kleinen Erfolg wertete.

Nun drängt die Zeit. In einer leeren Drohung warnte UN-Chef Ban Ki-moon von seiner südkoreanischen Heimat Seoul aus mit „ernsten Konsequenzen“ im Fall eines „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“. Das Giftgasmassaker Saddams an den Kurden in Halabja 1988, der Genozid in Ruanda 1994 und der Völkermord von Srebrenica im Jahr darauf sind abschreckende Beispiele für die Passivität der Weltgemeinschaft.

Nach einer UN-Dringlichkeitssitzung, die in diplomatischen Floskeln gipfelte, entsandte er seine Sonderbotschafterin für Abrüstungsfragen, die Deutsche Angela Kane, nach Damaskus. In einer konzertierten diplomatischen Initiative, mit Unterstützung Russlands – der Schutzmacht Syriens –, soll eine schnellstmögliche Überprüfung des Vorfalls in die Wege geleitet werden.

Rebellen entnahmen Proben

Während Rebellengruppen Gewebsproben der bis zu 1300 Opfer in den Westen zu schmuggeln versuchen, wächst der Unmut unter der zersplitterten syrischen Opposition. „Wir werden vom Giftgas ausgelöscht, und sie sitzen da und trinken ihren Kaffee im Hotel“, schimpfte Bara Abdelrahman auf die UN-Inspektoren.

Sellström hat Erfahrung im Umgang mit Diktatoren in heiklen Situationen. In Bagdad hatte er es im Winter 2002/2003 mit Saddam Hussein und dessen Verzögerungstaktik zu tun. Kurz darauf begann mit der Bombardierung Bagdads der zweite Irak-Krieg.

Auf einen Blick

Bei einem mutmaßlichen Giftgasangriff starben am Mittwoch in Syrien bis zu 1300 Menschen. Die Rebellen beschuldigen das Assad-Regime, Chemiewaffen eingesetzt zu haben, Damaskus dementiert dies und bezichtigt seinerseits die Rebellen. Seit Sonntag sind UN-Inspektoren im Land, die aber nur das Mandat haben, drei andere Orte zu untersuchen, an denen schon vor Monaten Giftgas eingesetzt worden sein soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2013)

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