Die geplante Inhaltsleere des Wahlkampfs sorgt plötzlich dafür, dass über Plakate geredet wird. Es sollte stattdessen um die üble SPÖ-Nestbeschmutzertaktik gehen.
Dieser Tage wurde ein neuer Berufsstand geschaffen: der des Plakatforschers und -beraters. Ähnlich wie der Politikforscher und -berater bedarf es zur Ausübung dieser Profession keiner Spezialausbildung. Wichtig sind passables Farbempfinden und ein bisschen Fantasie, sich für Journalisten Geschichten zu Plakaten einfallen zu lassen, die keine haben. Besonders können das die Politik- und Meinungsberater, daher stellen sie auch das Gros der Plakatforscher. Dass jene erklären, Plakate würden keine Wahlen entscheiden, macht nichts. Dafür glauben sie sorgen zu können.
Also: Die Grün-Plakate muss man demnach witzig, frech, die der FPÖ gemein, dümmlich-gefährlich, die der ÖVP wolkig, holprig und die der SPÖ hässlich, aber effizient finden. Denn, so tönt es aus den Meinungs- und Beratungszentralen: Die SPÖ bediene ihre Kernwähler, und das sei noch immer die beste Taktik. Interessanterweise wird der SPÖ-Kernwähler in dieser veröffentlichten Meinung ungeniert als Kernwähler-Depp dargestellt: Es reiche, ihm vorzulügen, dass Pensionen und Sozialsystem ewig sicher seien und Reiche zu wenig Steuern zahlen. Wie würde ein bejubelter Kernschicht-Außenauftritt der ÖVP aussehen? „Beamte(ngewerkschaft)“, „Bauern(subventionen)“, „Vater, Mutter, Kind“ affichieren?
Dabei ist weder ein Affe auf einem Plakat witzig noch Straches Pensionistentätscheln böse – das eine ist infantil, das andere leicht gaga. Der arme blaue Mann wird übrigens langsam panisch und versucht mit Umvolkungsvideos Aufmerksamkeit zu generieren. Strache-Abonnenten unter den Medien schenken sie ihm. Aber das ist alles nicht so schlimm, von irgendetwas müssen eben alle leben.
Wirklich ärgerlich ist die Mischung aus Lügen – beziehungsweise dem bewussten Verschweigen der Wahrheit – und Feigheit. Sie wird – wieder mithilfe professioneller Wahlkampfkritiker – zur Taktik umformuliert. Dass die ÖVP im Wahlprogramm die Notwendigkeit von Privatisierungen auslässt, kann man wohl nur feig nennen. Dass die SPÖ auf billigen Patriotismus setzt und täglich argumentiert, die Gegenseite dürfe das Land nicht schlechtreden, ist erbärmlich. Das entspricht genau der Argumentation Jörg Haiders, als es um Kärnten und unter Schwarz-Blau um Österreich ging.
Von Norbert Darabos über Doris Bures bis zu Werner Faymann werden Tatsachen offen geleugnet: Österreich verliert in fast allen Standort-Rankings und (echten) Umfragen. Den schleichenden leichten Abstieg spüren die meisten nicht, ihnen nun gar einen Aufstieg einzureden ist dreist. Interessanterweise verhindert diese Darabos-NLP-Taktik für Parteirekruten sogar, dass die SPÖ das wichtigste Thema stärker betonen könnte: die Bildung. Denn die Performance an Schulen und Unis ist auch daran schuld, dass Österreich an Attraktivität verliert.
Die ÖVP kann mit dem Wirtschaftsnestbeschmutzer-Image schlecht umgehen: Wird die Wahrheit gesagt, wie sie Maria Fekter und Christoph Leitl etwas ungeschickt formuliert haben, droht der sichere Platz zwei, sagen Wahlkampfmode-Richter. Beteiligt sie sich am roten Lügenmärchen, verliert sie massiv an Glaubwürdigkeit wie beim Thema Privatisierungen.
Echte Analysten der Parteien meinen übrigens, dass Niederösterreich und, nicht so wichtig, Oberösterreich die Wahl entscheiden würden. In beiden sorgen die Landeschefs dafür, dass – egal, wie es ausgeht – ihr Einfluss steigt. Was den Umbau der ehemals Großen Koalition in ein Marionettentheater endlich abschließen sollte. Wien war bisher nicht so wichtig, die Stadt ist im Eigentum der SPÖ, für die ÖVP feindliches Territorium. Stimmen kosten könnte die SPÖ nur der Umbau der Mariahilfer Straße zum kleinstädtischen Radfahrer-Abenteuer-Jagd-Parcours mit echten Fußgängern. Aber man muss immerhin festhalten: Maria Vassilakou macht zwar etwas falsch, aber sie macht etwas. Eva Glawischnig lächelt.
Die politische Alternativen- und somit Ausweglosigkeit – egal, was du wählst, die Wiener SPÖ und die niederösterreichische ÖVP regieren nach der Wahl auch den Bund – soll angeblich dafür sorgen, dass der Wahlkampf nicht zu schmutzig werde, hieß es in einer Wahlkampfstilkritik. Das hängt ganz davon ab, was man unter Schmutz versteht. Geistigen gibt es mehr als genug davon in diesem Wahlkampf.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2013)