Die Kampagne kommt nicht vom Fleck, auch die Attacken in der Datenaffäre gehen ins Leere. Nun schlachtet die SPD aus, dass sich Schatzmeister Schäuble in Sachen Griechenland verplappert hat.
Berlin/Gau. Niemand kann behaupten, dass Peer Steinbrück nicht kämpft. In glühender Sommerhitze erklomm der 66-Jährige sogar einen Gipfel im Bayerischen Wald. Doch der Merkel-Herausforderer will noch höher hinaus, an die Spitze der Macht, ins Berliner Kanzleramt. Als Kandidat der SPD verkündet er „Klartext“. Immer ist er um deutliche Antworten bemüht, zuweilen fallen sie schroff aus. Für seine klare Kante schätze man ihn als Finanzminister. Doch nun verfolgt ihn ständig ein Tross von Journalisten.
Sie lauern auf einen unvorsichtigen Halbsatz, eine gebrummte Provokation, die ihnen Schlagzeilen liefert. Die Spur seiner Fettnäpfchen, vom niedrigen Kanzlergehalt bis zu den italienischen Politclowns, wird Steinbrück nicht los, wie weit er auch durch die Lande zieht. Zuletzt erklärte er, die Kanzlerin könne wegen ihrer DDR-Jugend keine Leidenschaft für Europa entwickeln. Klar, dass die Ostdeutschen so etwas nicht gern hören. So stecken die Sozialdemokraten in den Umfragen bei 22 bis 26 Prozent fest. Das reicht nicht für den erhofften rot-grünen Machtwechsel. Die Nervosität steigt.
Vielleicht war es doch falsch, mit dem Thema Steuererhöhungen einen Wahlkampf zu bestreiten? Zwar wiederholen die SPD-Granden immerzu, der erhöhte Spitzensteuersatz und die neue Vermögensteuer werden nur „die fünf Prozent wirklich Reichen“ zahlen müssen. Aber die Bürger nehmen ihnen das nicht ab, weil sie aus der Vergangenheit wissen, dass höhere Steuern immer auch die Mittelschicht getroffen haben.
Also segelten Steinbrück und Parteichef Gabriel am vorigen Wochenende gegen den selbst entfachten Wind im Zickzack retour: Wenn es gelingt, die internationale Steuerflucht einzudämmen, dann könnte man auf höhere Steuern verzichten. Doch das wirkt unglaubwürdig. Denn Steuern sind schnell erhöht, eine EU-weite Harmonisierung der Unternehmenssteuern aber ist ein Projekt für viele Jahre.
Also fahnden die „Kampa“-Strategen im Willy-Brandt-Haus weiter nach einem zündenden Thema für den Intensivwahlkampf. Die NSA-Affäre? Steinbrück warf Merkel sogar den Bruch des Amtseids vor, weil sie eine millionenfache Ausspähung deutscher Bürger nicht verhindert habe. Doch die Attacken liefen ins Leere: Die Union konterte mit der Enthüllung, dass schon SPD-Politiker Steinmeier 2001 die enge Zusammenarbeit von deutschem und US-Geheimdienst eingefädelt hatte. Und nach pauschalen Zusagen von Amerikanern und Briten, sie hielten deutsche Gesetze ein, erklärte Kanzleramtschef Pofalla die Affäre für beendet – eine Chuzpe, aber mit Erfolg.
Ein wunder CDU-Punkt musste her
Es muss also ein anderer wunder Punkt von Merkels Union her, und vielleicht hat ihn Wolfgang Schäuble diese Woche verraten. Vor Parteisenioren in Schleswig-Holstein scheint sich der Finanzminister verplappert zu haben: Er gestand ein, dass Griechenland schon bald ein drittes Hilfspaket brauchen würde. Seitdem wirft die SPD Merkel vor, sie habe ein Scheitern ihrer Euro-Politik vertuschen wollen. Damit begibt sich die SPD aber auf gefährliches Terrain. Denn von einer rot-grünen Regierung erwartet die Mehrzahl der Deutschen, dass sie die Hilfe für Krisenstaaten noch teurer zu stehen kommt. So scheint es, dass die SPD auch mit diesem Thema nur verlieren kann. Der Berg, den Steinbrück so tapfer bestieg, hieß übrigens „Lusen“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2013)