Politlehrgänge: Damit nicht alles so kompliziert ist

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Politlehrgaenge(c) FABRY Clemens
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Die Themen werden komplexer, das Umfeld härter. Akademische Weiterbildung ermöglicht nicht nur Volksvertretern ein professionelleres Agieren.

Es klingt alles sehr kompliziert“, lautete schon in den 1980er-Jahren ein viel (und meist falsch) kolportierter Befund des damaligen Bundeskanzlers Fred Sinowatz. Seit Glykol- und AKH-Skandal haben sich nicht nur die Dimensionen und Komplexität der Problemstellungen vervielfacht, sondern auch die Anforderungen an Politiker. Man erwartet heute von Volksvertretern – wie auch von anderen Führungspersönlichkeiten –, Lösungen zu finden, sich rasch in fremde Materien einzuarbeiten, Teams zu führen, mit zeitlichem und medialem Druck umzugehen. „Dafür braucht es in der Politik eine neue Lösungsfähigkeit, ein neues Menschenbild, Führungsqualität und auch Selbstmanagement“, sagt Peter Grabner, Leiter des vor einem Jahr ins Leben gerufenen Masterstudiums „Führung, Politik und Management“ der FH Campus Wien.

Komplexe Systeme managen

Grabner, spezialisiert auf die Bereiche Risk Management und Komplexitätstheorie, sieht auch die Politik als „komplexes System“, das nur mit modernen Managementmethoden in den Griff zu bekommen sei, speziell mit denen des kybernetischen Managements. In diesem klaren Fokus auf Managementkompetenz für Politiker besteht aus der Sicht des Lehrgangsleiters, der selbst früher in politischen Gremien tätig war, die österreichweite und nahezu auch europaweite Alleinstellung des viersemestrigen Studiums. „Politische Akteure werden heute so schnell von der Politarbeit aufgesogen, dass sie oft nicht einmal ihr Studium abschließen können“, weiß Grabner. In seinem Lehrgang bekämen zahlreiche junge und auch bereits etablierte Funktionäre aus verschiedenen politischen Lagern die Möglichkeit, nicht nur „miteinander zu reden und Beziehungen aufzubauen, bevor sie auf die große Bühne steigen“, sondern auch konkrete Probleme zu analysieren.

Zielgruppe Landespolitiker

Ein neues Angebot speziell für Landespolitiker hat auch das Weiterbildungszentrum der Universität Graz eingerichtet. Drei jeweils einsemestrige Universitätskurse „Parlamentarismus und Landespolitik“ wurden berufsbegleitend konzipiert (Start Oktober 2013). Ein darauf aufbauendes MBA-Programm ist in Entwicklung. Auch für die Kursleiter, Otto Krickl und Klaus Poier, ist deren Notwendigkeit durch die immer komplexeren Aufgaben gegeben, vor denen Politiker heute stehen. „Beispielsweise hat sich die Rechtssituation stark verändert. Durch die Einbindung in die EU treffen verschiedene Rechtssysteme aufeinander. Des Weiteren stehen Politiker vor der Herausforderung, Entscheidungen in immer kürzeren Zeitabständen treffen zu müssen.“ In den Kursen werden Juristen, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, Psychologen und Praktiker zusammenarbeiten, um den Teilnehmern möglichst interdisziplinär Kernkompetenzen für die parlamentarische Arbeit zu vermitteln. Dazu gehören Themen des öffentlichen Rechts (Verwaltungs- und Verfassungsrecht) sowie die Grundlagen der Menschenrechte, der Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre, des Konfliktmanagements, der Kommunikation und der angewandten Medienlehre und Ethik.

Bereits seit etlichen Jahren werden die jeweils zweijährigen Masterlehrgänge „Politische Bildung“ und „Politische Kommunikation“ der Donau-Universität Krems (siehe Interview rechts) angeboten, die jeweils Februar 2015 zum nächsten Mal starten. „Politische Kommunikation“ richtet sich gleichermaßen an politische Akteure – sowohl Politiker im engeren Sinn als auch Partei- oder parlamentarische Mitarbeiter, Verwaltungs- und Kammerangestellte sowie Beschäftigte in NGOs – wie an politische Journalisten und in Agenturen mit Politikkommunikation befasste Personen. All diesen Zielgruppen soll eine tiefer gehende Fortbildung mit starkem Praxisbezug, aber auch mit der wissenschaftlich-theoretischen Analyse des politischen und medialen Systems geboten werden. Als Besonderheit des Lehrgangs gilt ein doppelter Tabubruch: Hier lernen mit- und voneinander nicht nur Personen aus gegensätzlichen politischen Lagern, sondern auch Politiker und Journalisten.

Mit Lehrern oder Journalisten

Von Politikern wird laut Lehrgangskoordination auch der Studiengang „Politische Bildung“ besucht. Er richtet sich zwar primär an Personen, die selbst beruflich politische Bildung vermitteln, also in erster Linie Lehrer aller Schultypen und -fächer, aber auch an in der Erwachsenenbildung Tätige, wie etwa für politische Bildungsarbeit zuständige Offiziere des Bundesheeres oder Personen von NGOs und Kirchen.

Die Lehrgänge sind international ausgerichtet und führen beim Thema EU etwa nach Brüssel. Im Herbst wird nach den deutschen Bundestagswahlen eine Exkursion nach Berlin die Möglichkeit bieten, Gespräche mit Vertretern aller deutschen Parteien zu führen und Medienbetriebe wie „Bild“, „Taz“ oder ZDF kennenzulernen. Für die Teilnehmer des Lehrgangs „Politische Kommunikation“ geht es zu den US-Präsidentschafts- und/oder Kongresswahlen nach Washington, um bei Events an Universitäten, bei Parteien, Wahlkampfteams und Medien Wahlkampfluft zu schnuppern.

Auf einen Blick

Weiterbildungen für politische Akteure (Auswahl)

Donau-Universität Krems
Zwei Masterlehrgänge: „Politische Bildung“ wendet sich primär an Lehrer, wird aber auch von politisch Tätigen besucht. Zielgruppe von „Politische Kommunikation“ sind im politischen Umfeld Tätige, insbesondere auch Politikjournalisten. www.donau-uni.ac.at Fachhochschule Campus Wien Masterlehrgang „Führung, Politik und Management“ mit Schwerpunkt auf Risk Management und Komplexitätstheorie.
www.fh-campuswien.ac.at

Universität Graz (Uni for Live)Universitätskurs „Parlamentarismus und Landespolitik“, speziell für Landespolitiker.
www.weiterbildung.steiermark.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2013)

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