Wer im Netz die meisten Wähler fischt

Netz meisten Waehler fischt
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"Die Presse am Sonntag" hat die Web-Auftritte der Parteien von vier Experten – aus der Redaktion und extern – bewerten lassen. Wer im Netz an der Spitze ist, ist es nicht zwangsläufig auch im Parlament.

Eine neue Homepage, eine Fan-Seite auf Facebook, YouTube-Videos oder ein persönlicher Twitter-Account des Spitzenkandidaten: Der Onlinewahlkampf der Parteien könnte unterschiedlicher nicht sein. Doch wem gelingt es am besten, im Internet zu punkten? "Die Presse am Sonntag" hat die Web-Auftritte von vier Experten – aus der Redaktion und extern – bewerten lassen. Es zeigt sich: Wer im Netz an der Spitze ist, ist es nicht zwangsläufig auch im Parlament.

Durchdacht: Dieses Wort beschreibt den Online-Auftritt der Grünen am besten. Die Homepage, die Facebook-Seite und der Twitter-Auftritt: Alles scheint aus einem Guss zu sein. So haben es die Grünen geschafft, unverkennbar zu werden. Außerdem haben sie als einzige Partei sowohl eine App als auch ein Spiel entwickelt. Letzteres ist – obwohl so etwas schnell lächerlich wirken kann – gut gelungen. Auf Twitter sind die Partei und ihre Funktionäre sehr aktiv. Mit dem Nebeneffekt, dass sie dort auch interne Konflikte öffentlich austragen. Der Facebook-Auftritt hat sich Lob verdient – nicht nur jener der Partei, sondern auch der von Eva Glawischnig. Sie sorgt für persönlichen Touch, selbst Fotos ihrer Bürotomaten sind dabei. Das politische Statement darf auch hier nicht fehlen.
Die Farbe Pink, dazu eine Sprechblase – dieses Logo zieht sich durch den gesamten Webauftritt der Neos. Für eine junge Kleinpartei sind solche Wiedererkennungsmerkmale besonders wichtig. Insgesamt ist die Onlinekampagne professionell und übersichtlich. Das ist kein Zufall: Für die Neos ist der Wahlkampf im Internet wichtiger als für manch etablierte Partei. Einerseits erreichen sie so ihre Zielgruppe am besten, andererseits schonen sie damit ihr Budget. Besonderes Lob gibt es für die Homepage. Hier kann man sich leicht über die wichtigsten Forderungen der Neos informieren. Gut ist, dass die meisten Spitzenkandidaten auf Twitter aktiv sind. Auch mit ihrem YouTube-Auftritt kann die Partei punkten. Die Videos sind locker und wirken nicht aufgesetzt.


Die FPÖ, das ist online wie offline ihr Parteichef Heinz-Christian Strache. Vor allem auf Facebook bemüht sich Strache, möglichst authentisch rüberzukommen und so die User anzusprechen. Das gelingt ihm, vor allem, weil er viel Persönliches von sich preisgibt – etwa das viel diskutierte Foto in Badehose. Egal, ob es gefällt, aufregt oder zum Lachen bringt: Alles, was emotionalisiert, ist im Netz gut aufgehoben. Und Strache tut dies in jedem Fall. Die FPÖ nutzt das Netz aber auch, um ihre Botschaften ungefiltert zu veröffentlichen, ganz ohne Interpretation der Medien. Die Stärke der Partei ist aber gleichzeitig auch ihre Schwäche: Durch das Netz kommen immer wieder Verbindungen mit der rechten Szene zum Vorschein. Twitter ignoriert die FPÖ fast komplett.


Was passiert mit dem Team Stronach, wenn Frank stirbt? Diese und ähnliche Fragen beantwortet der Parteigründer auf seinem YouTube-Channel. Er selbst schätzt daran wohl am meisten, dass er bei seinen Monologen nicht unterbrochen wird. Für die Partei sind diese Videos gute PR. Immerhin verbreitet sich so etwas im Web sehr schnell. Einzige Kritik: Die Videos wirken teilweise trocken. Vorbild für andere Parteien könnte das Team Stronach in Sachen Kommunikation auf Facebook sein. Die Partei des Magna-Gründers schafft es nicht nur, Diskussionen anzustoßen, sondern auch, diese am Köcheln zu halten. So gewinnt man Facebook-Freunde nicht nur, sondern behält sie auch. Auch auf Twitter schafft es die Partei, schnell auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren.   


Die ÖVP buhlt im Web nicht in erster Linie um neue Wähler, sondern konzentriert sich auf die Parteifunktionäre. Tatsächlich ist das Internet ein guter Kanal, um vor allem junge Mitglieder zu mobilisieren. Und so findet man auf der Plattform „Auf geht's“ ein Motivationsvideo mit freiwilligen Helfern. Eigentlich eine gute Idee, wäre da nicht auch der Auftritt von ÖVP-Chef Michael Spindelegger. Er kommt übermotiviert, unnatürlich rüber – so etwas wirkt schnell peinlich. Will man sich doch als Wähler informieren, bekommt man auf Spindeleggers Facebook-Seite wenig Inhalte geboten, auch der persönliche Kontakt fehlt. Genauso ist es auf Twitter – hier fällt eigentlich nur Bundesgeschäftsführer Hannes Rauch wirklich auf.


Ein neuer Webauftritt, ein eigenes Komitee für Bundeskanzler Werner Faymann (inklusive Homepage) und viele onlineaffine Jungkandidaten: Bei der SPÖ tut sich so einiges. Die Quantität stimmt also. Bei der Qualität hapert es hingegen. Die Seiten sind untereinander nicht koordiniert, eine Gesamtstrategie fehlt. Außerdem findet (zu) wenig Diskussion mit den Usern statt. Auch Faymanns Facebook-Seite wirkt zu starr und kontrolliert. Es gibt kaum Persönliches. Nach dem misslungenen Start in die Online-Welt (Stichwort falsche Freunde) traut man sich wohl nicht mehr viel. Dafür ist die Partei sehr gut darin, Infografiken und Bilder zu gestalten. Der große Minuspunkt: Videos und der Kanal YouTube werden völlig vernachlässigt.


Bei den Piraten fragt man sich, ob sie überhaupt schon im Wahlkampf angekommen sind. Denn online merkt man kaum etwas davon. Und das, obwohl die Piraten immer wieder betont haben, dass sie vorwiegend im Netz wahlkämpfen wollen. Woran das liegt? Es fehlt wohl auch an finanziellen Mitteln. Dennoch gibt es ein paar Pluspunkte: Es gibt genügend Infos zu ihrem politischen Programm, die Piraten verstehen den NSA-Skandal für sich zu nützen und haben einen guten Twitter-Auftritt. Einige Vertreter engagieren sich dort täglich, und da sich auf Twitter viele Journalisten aufhalten, bringt das Medienpräsenz. Sonst vermisst man allerdings eine klare Strategie. Ihr Online-Forum erinnert gar an eine Selbsthilfegruppe. 


Es ist kaum zu übersehen: Das BZÖ setzt auf ihren Spitzenkandidaten Josef Bucher – nicht nur auf Plakaten, sondern auch online. Das ist per se nicht schlecht. Schade nur, dass damit einhergehend die sachlichen Informationen auf der Strecke bleiben. So ist der sogenannte Bucher-Plan, der sich auf der Homepage findet, nur ein sehr dürftiges Konzept. Der Facebook-Auftritt der Partei und auch jener von Bucher selbst sind nur wenig überzeugend. Zudem kann man sie optisch kaum von einander unterscheiden – daher stellt sich die Frage, ob es beide Auftritte braucht. Eines muss man dem BZÖ-Obmann aber lassen: Er ist der einzige Spitzenkandidat, der selbst twittert – wenn auch nicht allzu regelmäßig.

Die Jury

Yussi Pick
Kampagnen- und Kommunikationsberater in Wien und Washington.
Ulrike Weiser
Leiterin des Chronik- und Wien-Ressorts der „Presse“.
Günter Felbermayer
Chef vom Dienst von DiePresse.com.
Uta Rußmann
Professorin für Neue Medien und Kommunikationsmanagement an der FH Wien.

Netz meisten Waehler fischt
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2013)

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