"Geschmack ist keine Kategorie bei den Handelsklassen"

Der Leiter der Abteilung Pflanzen- und Gartenbau der Boku Wien, Hans-Peter Kaul, über die Klassifizierung von Obst.

Die Rewe-Gruppe hat angekündigt, optisch nicht perfektes Obst und Gemüse zu verkaufen. Was ist eine optische Beeinträchtigung und was gesundheitlich gefährlich?

Hans-PeterKaul: Die Handelsklassenverordnung schreibt grundsätzlich vor, dass alles, was verkauft wird, gesundheitlich unbedenklich sein muss und es sich lediglich um optische Eigenschaften dreht. Unter Umständen auch geschmackliche, aber eben nicht gesundheitsschädliche.

Was genau regelt diese Verordnung?

Darin steht, dass es die Handelsklassen extra, eins, zwei und das darunter gibt. Das unter Handelsklasse zwei wird sowieso nicht im Lebensmittelhandel – auch jetzt nicht – verkauft, das geht im Wesentlichen in die Verarbeitungsindustrie. Extra finden sie auch sehr selten, der Standard im Lebensmittelhandel ist die Klasse eins. Was die (Rewe, Anm.) jetzt tun wollen, ist eben die Handelsklasse zwei auch anzubieten.

Und worin unterscheiden sich die Klassen?

Die Klasse eins darf vom Optimalbild der Handelsklasse extra leicht abweichen, also leichte Formen- und Entwicklungsfehler, leichte Farbfehler, sehr leichte Quetschungen, ausreichende Festigkeit, aber keine freie Flüssigkeit haben. Bei der Klasse zwei dürfen es gröbere Fehler sein, gröbere Farbabweichungen. Es geht um Form- und Farbfehler, aber auch um Fleckigkeit.

Die Extraklasse ist perfekt?

Die ist frei von jeglichen Fehlern. Da muss das Produkt ganz glatt, fest, prall sein, gut geformt, einheitliche Farbbeschaffenheit, auch homogene Größe für die Sortierung, das finden Sie am ehesten in Feinkostläden.

Wozu gibt es die Handelsklassen eigentlich?

Für den Konsumentenschutz, indem man klassifiziert und dem Konsumenten mitteilen kann, in welcher Qualitätsgruppe sich das Produkt befindet. Aber natürlich führt sich das ad absurdum, wenn dann in den Supermärkten nur noch die Klasse eins im Angebot ist.

Ist Geschmack eigentlich eine Kategorie bei den Handelsklassen?

Interessanterweise nicht, darüber habe ich mich auch gewundert, das steht überhaupt nicht explizit dabei. Bei der Handelsklasse extra steht aber irgendwo geschrieben: aromatisch und voll ausgereift. Die Reife hat ja oft mit dem produkttypischen Geschmack zu tun.

Wie sind die preislichen Unterschiede?

Ein Faktor, warum Ware der Klasse zwei billiger sein sollte, sind die zulässigen stärkeren Quetschungen und Flecken, die der Konsument wegschneidet, vorher aber auf der Waage hat. Man will ja auch den Leuten beibringen, dass der Rest gut ist.

Ist Gesundheit auch eine Kategorie?

Überhaupt nicht, die Handelsklassen haben nichts mit der Gesundheit zu tun. Alles, was in den Handel kommt, muss ohnehin gesundheitlich unbedenklich sein. Die Informationen, die in den Handelsklassen versteckt sind, sind nur optische Eigenschaften.

Ist es nicht absurd, dass es sich nur um die Optik dreht?

Ja, aber danach verkaufen sie das. Der Konsument wird es ja nicht probieren, eine Kirsche kann man schon einmal probieren, aber einen Apfel wohl nicht. Der Kunde kann ja den Geschmack nicht feststellen, aber die Optik, die sieht er. Und darüber verläuft dann die Vermarktung, und deshalb schlägt sich das auch so nieder. Am Ende auch deswegen, weil man über Geschmäcker streiten kann.

Könnte man den Geschmack bei den Klassen eigentlich berücksichtigen?

Das wären Riesenaufwendungen, die dem Handel und den Herstellern nicht vergütet werden. Und damit macht man es nicht. Man wirbt dann eher mit bio, das ist leicht zu definieren, und dann darf sich der Kunde einbilden, dass er etwas Besseres gekauft hat. Bewiesen ist das ja überhaupt nicht, ob die Biokarotte ernährungsphysiologisch besser ist als die konventionelle.

Unabhängig vom Handel, welche Schäden sind denn unbedenklich und welche nicht?

Man kann das wissenschaftlich fundiert nicht sagen, aber alles, was trocken ist, würde ich für unbedenklich halten. Alles, was feucht ist, nicht, weil sich Mikroorganismen da tausendmal wohler fühlen.

Reicht da wegschneiden nicht?

Doch, in aller Regel dürfte großzügig wegschneiden reichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2013)

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