Amerika rüstet sich für den Krieg in Syrien

Amerika ruestet sich fuer
Amerika ruestet sich fuer(c) EPA (JEON HEON-KYUN)
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Drei Tage nach dem mysteriösen Giftgasangriff von Ghouta bereiten die USA einen Militärschlag gegen das syrische Regime vor. Als Orientierungshilfe dient der Kosovo-Krieg.

Eigentlich hätte die USS Mahan Kurs auf den Hafen von Norfolk, Virginia, nehmen sollen. Doch neue Kriegspläne der USA durchkreuzen etwaige Urlaubspläne der Crew des Zerstörers. Die USS Mahan bleibt bei der Sechsten Flotte im Mittelmeer. Anweisung von oben, aus dem Pentagon.
Drei Tage nach dem mutmaßlichen Giftgasmassaker mit 500 bis 1300 Toten im syrischen Ghouta verdichten sich die Anzeichen für einen US-Militärschlag gegen das Assad-Regime. Und die US-Marine spielt dabei eine zentrale Rolle. Obama ließ sich am Samstag im Nationalen Sicherheitsrat nicht nur alle Optionen – „einschließlich militärischer“ – vorlegen. Die US-Marine verstärkte zugleich ihre Präsenz im Mittelmeer. Vier Zerstörer kreuzen nun dort, alle vier mit Tomahawk-Raketen bestückt. Das sind jene gegen Landziele einsetzbaren Marschflugkörper, die im Frühjahr 2011 insgesamt 162 Mal in Libyen einschlugen.

Man müsse die Streitkräfte positionieren, bevor der Präsident seine Entscheidung trifft, sagte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel. Er drängt auf eine „rasche Antwort“, falls der Giftgaseinsatz bewiesen ist. „Denn dann könnte der nächste Chemiewaffenangriff schon bevorstehen.“ Welche Antwort Obama in der Syrien-Frage findet, ließ sich am Samstag noch nicht abschätzen.

Wenn es um die Legitimation eines möglichen Angriffs in Syrien geht, fällt der Blick der US-Strategen aber auf den Balkan: Wie im Kosovo-Krieg 1999 müsste die USA auch diesmal ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats losschlagen. Damals wie heute heißt der Blockierer Russland. Ein Eingreifen wäre daher „nach Völkerrecht illegal“, so Markus Kaim von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik. Die USA könnten aber versuchen, dem Einsatz durch den Verweis auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und eine breite internationale Allianz Legitimität zu verleihen, so Kaim. Zumindest Paris und London betonen bei jeder Gelegenheit, dass ihrer Ansicht nach Assad den Giftgasangriff verübt hat – und dass es nun eine starke Reaktion brauche. Im jordanischen Amman treffen sich heute zudem die Generalstabschefs mehrer Nato-Länder sowie der arabischen Golfmonarchien (keiner liefert mehr Waffen an die Rebellen als Saudis und Katarer) zu Beratungen.

Gezielte Angriffe

Dass Obama im Falle eines Beweises für einen Giftgasangriff nicht handelt, hält Experte Kaim für unwahrscheinlich: „Der US-Präsident hat im Vorjahr ohne Not den Einsatz von Chemiewaffen als ,rote Linie‘ bezeichnet. Wenn er jetzt nichts tut, sind seine Glaubwürdigkeit und der Ordnungsanspruch der USA in der Region völlig dahin.“ Vorstellbar ist das Setzen gezielter Nadelstiche gegen Assads Armee – also Angriffe vom Mittelmeer aus auf militärische Infrastruktur, Munitionsdepots, Raketenstellungen oder Kommandozentralen. US-Berichten zufolge wurde die Liste syrischer Angriffsziele nun auch noch einmal aktualisiert. „Das politische Ziel dahinter müsste sein, damit nicht nur Assads Gräueltaten gegen Zivilisten zu beenden, sondern sein Regime zur Teilnahme an einer Friedenskonferenz zu bewegen“, sagt Experte Kaim.

Der US-Präsident gibt sich – noch – zögerlich: In einem CNN-Interview erklärte er zwar, die Berichte aus Ghouta seien „Anlass zu ernster Sorge“ und würden wegen des mutmaßlichen Einsatzes von Massenvernichtungswaffen auch die „Kerninteressen der USA“ berühren. Zugleich warnte Obama aber davor, sich in etwas zu stürzen, dass „sich als kostspielig und schwierig erweist und nur noch mehr Feindseligkeit schafft“. Oder wie es Experte Kaim ausdrückt: „Was ist, wenn man drei Wochen bombardiert und Assad lenkt nicht ein? Noch mehr, noch größere Bomben?“

Ärzte ohne Grenzen: Hunderte Tote

Unterdessen gab die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bekannt, in syrischen Krankenhäusern seien hunderte Menschen mit "neurotoxischen Symptomen" gestorben. Rund 3600 Syrer seien unmittelbar nach dem mutmaßlichen Anschlag von Ghouta am Mittwoch in Spitäler eingeliefert worden.

Noch fehlt Obama jedoch ein hieb- und stichfester Beweis für den Chemiewaffeneinsatz durch Assad. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Die UN-Ermittler in Syrien müssen rasch nach Ghouta vorgelassen werden – um Blut- oder Urinproben zu nehmen. „Je später die Experten vor Ort sind, desto schwieriger ist der Nachweis“, sagte der Schweizer Chemiewaffenexperte Stefan Mogl. Selbst Moskau drängt Damaskus, die Inspektoren gewähren zu lassen. Von seinem Verbündeten rückt der Kreml deshalb aber nicht ab: Die Vorwürfe gegen Assad nannte die Putin-Regierung auch am Samstag eine „gezielte Provokation“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2013)

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