Wenn USA und Europa al-Qaida-Kämpfern in Syrien Feuerschutz geben

Wenn USA und Europa al-Qaida-Kämpfern in Syrien Feuerschutz geben
Wenn USA und Europa al-Qaida-Kämpfern in Syrien Feuerschutz geben(c) Reuters
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Angriffe einer "Koalition der Willigen" würden zunächst vor allem mit Marschflugkörpern geführt werden. Sie könnten noch diese Woche beginnen.

Wien/Washington. Man durfte sich durch die Worte von US-Präsident Barack Obama von Ende vergangener Woche nicht täuschen lassen, als er sagte, er habe es nicht eilig, die USA in ein weiteres, teures militärisches Engagement zu verwickeln. Denn dass er es nicht will, heißt nicht notwendigerweise, dass er es nicht trotzdem tut.

Im Hintergrund hatten die Planungsexperten im Pentagon freilich längst alle Möglichkeiten einer militärischen Intervention durchgespielt und die entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Am Wochenende haben die Militärs den Präsidenten über den aktuellen Stand informiert und ihm die verschiedenen Optionen unterbreitet.

Parallel dazu arbeiten die USA fieberhaft daran, eine „Koalition der Willigen“ zu schmieden. Die USA sind in ständigem Kontakt vor allem mit Großbritannien, Frankreich, der Türkei, Jordanien, Katar und Saudiarabien, versuchen aber, auch weitere Länder ins Boot zu holen, etwa Kanada. So wie es sich derzeit abzeichnet, wird eine Koalition aus drei Lagern bestehen.

Wie schaltet man Syriens Luftabwehr aus?

Die erste Gruppe umfasst diejenigen Länder, die sich direkt an Militärschlägen, die laut britischen Regierungsquellen noch diese Woche beginnen könnten, beteiligen würden: Dies sind neben den USA vor allem Großbritannien und Frankreich, in den vergangenen Tagen auch verbal die treibenden Kräfte für „harte Konsequenzen“ infolge des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes in Syrien. Die USA hätten im Mittelmeer vier Zerstörer zur Verfügung, von denen aus Marschflugkörper eingesetzt werden können. Diesen Waffen würde, ebenso wie bei den Angriffen auf das libysche Gaddafi-Regime im Frühjahr 2011, eine Schlüsselrolle zukommen, weil sie relativ präzise Angriffe erlauben, ohne dabei mit Flugzeugen in den syrischen Luftraum eindringen zu müssen und sich der als relativ stark eingeschätzten syrischen Luftabwehr auszusetzen.

Die USA – oder Israel – könnten freilich auch versuchen, die syrische Luftabwehr mit einem Cyber-Angriff unschädlich zu machen. Dies ist offenbar Israel gelungen, bevor es im September 2007 seine Kampfflugzeuge über die Grenze schickte, um einen im Bau befindlichen Atomreaktor zu zerstören, den Syrien mutmaßlich mit technischer Unterstützung aus Nordkorea errichtete.

Nachschubroute für Rebellen

In der Region – nämlich im Roten Meer – befindet sich zudem der Flugzeugträger USS Harry Truman. Und auch landgestützt könnten die USA Flugzeuge einsetzen: Erstens von der türkischen Basis Inçirlik aus, zweitens aus Jordanien. Dort stehen mehrere F-16-Kampfflugzeuge, die die USA nach einer gemeinsamen Militärübung vorsichtshalber gleich dort gelassen haben.

Frankreich hat mit der in Toulon liegenden Charles de Gaulle ebenfalls einen Flugzeugträger in Einsatzbereitschaft, zudem in den Vereinigten Arabischen Emiraten stationierte Kampfflugzeuge. Großbritannien, der Dritte im Bunde, wäre derzeit auf U-Boote angewiesen. Zumindest eines soll sich derzeit zu diesem Behufe bereits im Mittelmeer aufhalten, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Quellen im Verteidigungssektor berichtet.

Der zweite „Kreis“ von Ländern sind jene, die militärische Hilfsdienste leisten können und in der Logistik eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören vor allem zwei Nachbarländer Syriens, Jordanien und die Türkei, die mit Patrouillenflügen an der Grenze assistieren kann. Beide Länder sind durch den syrischen Bürgerkrieg direkt betroffen durch hunderttausende Flüchtlinge. Die Türkei ist zudem eine der stärksten Stimmen für einen Sturz Assads. Über türkisches Territorium laufen wichtige Waffen-Nachschubrouten für die syrischen Rebellen. Das hat die Türkei zum Angriffsziel syrischer Regimekräfte gemacht, wie mehrere blutige Anschläge im Grenzgebiet zeigten, etwa in Reyhanli im Mai mit 51 Toten. Erst am Montag berichteten türkische Medien, man habe im Grenzgebiet zwei Syrer mit 177 Kilo Sprengstoff im Gepäck aufgegriffen.

Auch Deutschland fordert Konsequenzen

Die Rolle der Türkei als Transitland für Waffen würde weiter wachsen. Am Wochenende gab es Berichte über eine Waffenlieferung im Umfang von 400 Tonnen. Absender: mehrere Golfstaaten. Dem türkischen Grenzgebiet kommt nun zugute, dass die Nato bereits vor Monaten Batterien an Patriot-Abwehrraketen stationiert hat, unter anderem aus Deutschland. Dies könnte noch für innerdeutsche Probleme sorgen, da die Bundeswehr dadurch in den Konflikt verwickelt werden könnte. An einer Militärintervention will sich Berlin ausdrücklich nicht beteiligen, so wie im Falle Libyen, 2011, doch sprach auch Außenminister Guido Westerwelle nun deutlich von „Konsequenzen“, die es im Falle eines bestätigten Einsatzes von Giftgas geben müsse.

Der dritte „Kreis“ umfasst Länder, die vor allem politische Unterstützung geben würden, aber sich auch, wie etwa Saudiarabien, Katar oder die Emirate es schon bisher tun, mit Waffenlieferungen an die Rebellen beteiligen. Unter dem Feuerschutz von Cruise Missiles und Kampfflugzeugen könnten die Rebellen wieder Boden gegen die Truppen des Assad-Regimes gutmachen. Dies würde zu der prekären Konstellation führen, dass die USA und ihre europäischen Partner auch Kämpfern al-Qaida-naher Gruppen, die in Syrien eine immer größere Rolle spielen, quasi Feuerschutz geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2013)

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