Sinnvolle Compliance-Regeln

„Die Trophäe kann man zurückgeben, das jagdliche Erfolgserlebnis ist nicht revidierbar“. Der Wiener Rechtsanwalt Georg Prantl ** über Anfütterungsparagraphen, Fettnäpfchen und mildernde Umstände.

Was denken Sie sich, wenn Sie im Steirereck sitzen und am Nebentisch einen Beamten mit einem Unternehmer soupieren sehen?

Ich denke mir, dass die beiden gute Freunde sind oder gemeinsam ein Fachmagazin herausgeben.

Warum?

Weil ich davon ausgehe, dass der Beamte nicht so naiv ist, seine Karriere für ein Essen aufs Spiel setzt.

Dürfte er sich zum Würstelstand einladen lassen?

Mir hat einmal ein Mandant gesagt, anfüttern darf man niemanden, der für die Öffentliche Hand arbeitet, aber vorm Dehydrieren darf man ihn doch retten. Dem Vernehmen nach lassen sich allerdings zum Beispiel Finanzbeamte, die gerade zur Steuerprüfung zu meinen Mandanten kommen, nicht einmal mehr einen Kaffee servieren, sondern nur noch Leitungswasser.

Wie sinnvoll sind Compliance-Regeln?

Sie sind hilfreich, weil sie das Bewusstsein der Betroffenen dafür was geht und was nicht geht schon schärfen.

Ist schon die Tatsache des gemeinsamen Essens verfänglich, oder muss erst ein Anliegen vorgebracht worden sein, das ein eingeladener Entscheidungsträger dann anders behandelt, als er es ohne vorher erfolgte Anfütterung getan hätte? 

Das hängt vom Einzelfall ab. Oft sind mehrere Einladungen notwendig, bevor der Einladende sein Anliegen vorträgt, weil er glaubt, jetzt ist die Beziehung schon ausreichend tragfähig.

Wie beurteilen Sie den Fall des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff?

Es ist bemerkenswert, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt- es geht um Vorteilsnahme, Vorteilsgewährung und um weniger als 800 Euro, nämlich eine Einladung zum Oktoberfest, auf dem sich ja jährlich sechs Millionen Menschen tummeln. Wiewohl der Gegenwert von kolportierten 800 Euro ein Vielfaches der in Österreich gängigen Grenzen übersteigt. Wenn ich dazu jemanden einlade – ok – natürlich kann man sagen, das Käferzelt ist um vieles teurer als  die anderen – dann ist das ja nichts Besonderes. Man könnte auch sagen, 800 Euro sind nicht viel Geld, wenn wir an die Hotelpreise zu dieser Zeit in München denken. Ich weiß auch nicht in welcher Beziehung Wullf und der Filmfinanzier David Groenewold zu einander gestanden sind. Als Freund hätte sich der Bundespräsident schon zum Oktoberfest einladen lassen dürfen. Nur hätte ihn sein Gastgeber später nie um etwas bitten dürfen.

Werden Sie von Ihren Mandanten öfter in Sachen Compliance konsultiert, welche Fragen haben sie?

Meist geht es darum, was ist geringfügig, ab welchem Gegenwert ist der Tatbestand der Anfütterung erfüllt und ob eine Einladung zum Golfturnier, Charitydinner, zu einer begehrten Opernaufführung oder zum Abschuss eines kapitalen Hirschen zum Verhängnis werden könnte.

Was wird zum Verhängnis?

Auch das lässt sich nicht in absoluten Zahlen darstellen. Wenn ich beispielsweise für einen Opernfreak kraft meiner guten Beziehungen eine Opernkarte zu einer restlos ausverkauften Aufführung mit Anna Netrebko um 50 Euro auftreibe und ihm schenke, hat dieses Geschenk einen ideellen Wert, der die 50 Euro um ein Vielfaches übersteigt. Ich habe dem Fan einen großen Gefallen getan, auf den ich später, wenn ich ein Anliegen vorbringe, hinweisen könnte, vor allem, wenn ich ihm die Karte schon mit diesem Hintergedanken organisiert habe, könnte das verhängnisvoll werden.

Was ist, wenn der Beschenkte die 50 Euro zurückzahlt?

Dann hat er trotzdem das Glücksgefühl gehabt, zu dem er alleine nicht gekommen wäre. Genauso wie der Jagdfreund, der die Einladung zum Abschuss des kapitalen Hirschen angenommen hat. Selbst wenn er die Abschussgebühr im Nachhinein selbst bezahlt und die Trophäe zurückgibt, wird ihm das allenfalls als
Milderungsgrund angerechnet.
Das jagdliche Erfolgserlebnis ist nicht mehr revidierbar. Entscheidend sind Absicht und Pflichtwidrigkeit.
Deshalb ist es auch empfehlenswert, dass große Unternehmen ihren Mitarbeitern klare Compliance-Regeln vorgeben, um sie vor straflich relevanten Fettnäpfchen zu bewahren.

Was sind juristisch nicht relevante Dos & Don'ts bei Geschäftsessen? 

Man isst als Eingeladener nicht mehr, als man sonst isst und nur das, was man sich selbst auch leisten würde.
Das gemeinsame Essen, das ja der Kommunikation dient, darf nicht zur Show verkommen, in dem sich einige Leute präsentieren, telefonieren, alle grüßen, oder in ein Lokal einladen, nur um zu demonstrieren, dass einen dort alle kennen. Die Selbstdarstellung darf nicht die Wertschätzung der Gäste übersteigen. 

**Zur Person
Georg Prantl promovierte 1982 an der Universität Wien zum Doktor juris. Seit 1988 ist er als Rechtsanwalt tätig, seit 1991 in seiner mit Partnern geführt Sozietät mahlerlaw.at.
Der gebürtige Wiener Kunstsammler und Opernliebhaber ist auf Wirtschaftsrecht und family business spezialisiert. Zu seiner Klientel zählen neben österreichischen auch Mandanten aus Europa, Fernost und den USA.

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