„Zwangsbeglückung“: Kritik an Schmieds Ganztagsschulvorstoß

„Zwangsbeglückung“: Kritik an Schmieds Ganztagsschulvorstoß
„Zwangsbeglückung“: Kritik an Schmieds Ganztagsschulvorstoß(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Unterrichtsministerin Claudia Schmied will verschränkte Ganztagsschulen stark ausbauen – und hinterfragt das Mitspracherecht von Eltern und Lehrern.

Wien/APA/beba. Den alles andere als gemäßigten Ton kann man wohl auf den laufenden Wahlkampf zurückführen: Da ist von „Zwangsbeglückung“ die Rede, von „mangelndem Demokratieverständnis“ und von „Kommunismus in Reinkultur“. Zumindest ist die Sachlage eindeutig: Der jüngste Vorstoß von SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied kommt nicht gut an – weder beim Koalitionspartner, noch bei Eltern und Lehrern.

Dabei war es nicht einmal eine ganz neue Idee, mit der die Ministerin gestern für Wirbel sorgte: Sie wolle die Hürde für die Einrichtung sogenannter verschränkter ganztägiger Schulen – bei denen sich Unterricht und Freizeit abwechseln – senken, so Schmied im ORF-Radio.
Grund: Nicht nur die ÖVP bremst bei dem von der SPÖ gewünschten Ausbau der Ganztagsschulen. Auch Eltern und Lehrer lehnen das mitunter ab. Damit eine Klasse aber verschränkt geführt werden kann, braucht es das Ja von je zwei Dritteln der Eltern und Pädagogen.

Länder könnten entscheiden

Schmied, die bereits im Vorjahr mit der Idee abgeblitzt ist, zumindest die Macht der Lehrer zu beschneiden – damals wollte sie die Entscheidung ganz den Eltern überlassen –, will nun erneut den Abstimmungsmodus überarbeiten. Womöglich recht drastisch: Eine Variante, über die man reden könne, sei, dass die Landesschulräte die Planung übernähmen – und festlegten, welche Schulen ganztägig geführt werden sollen und in welcher Form, heißt es aus dem Unterrichtsministerium. Klar sei: „Wir müssen den Modus komplett überdenken und zunächst einmal in die Angebote investieren. Was ist das für eine Wahlfreiheit, wenn ich kein Angebot habe?“

Tatsächlich ist das Angebot an verschränkten ganztägigen Schulen nach wie vor gering. 2,4 Prozent der sechs- bis 14–jährigen Schüler werden verschränkt betreut. Zwar ist die Zahl der Schulen, die – zumindest klassenweise – diese Form des Unterrichts anbieten, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Immer noch sind es aber nur 126 der mehr als 5000 Schulstandorte der Pflichtschulen und AHS-Unterstufen. Zählt man auch reine Nachmittagsbetreuung dazu – also nicht nur die verschränkte Form–, hat rund ein Drittel der Schulen ein ganztägiges Angebot.

Das Ziel des Ministeriums: Jeder zweite Standort sollte ein ganztägiger sein – im optimalen Fall verschränkt. Für den Ausbau will die SPÖ ab 2014 doppelt so viel Geld in die Hand nehmen wie ursprünglich geplant, nämlich 320 statt 160 Millionen Euro pro Jahr – ein Vorschlag, den die ÖVP als „Marketing-Gag“ zurückweist.

ÖVP, Eltern, Lehrer dagegen

Auch von einer Senkung der Hürden für verschränkten Unterricht hält die ÖVP nichts. Das sei eine „Zwangsbeglückung von Kindern und Eltern, die das weder brauchen noch wollen“, sagte Bildungssprecherin Christine Marek. Auch die Eltern fordern die Beibehaltung der Zweidrittelmehrheit. Sonst würden zu viele Eltern und Schüler zwangsverpflichtet, so Theodor Saverschel, oberster Elternvertreter der mittleren und höheren Schulen.

So sieht das auch auch Lehrergewerkschafter Paul Kimberger: Es gebe keinen Anlass, an der Schulpartnerschaft zu rütteln. „Für mich besteht kein Zwang, irgendetwas an dem Modus zu ändern. Die Wünsche einer Ministerin stehen hier nicht im Vordergrund.“

Auf einen Blick

Verschränkter Ganztagsunterricht kann klassenweise eingeführt werden. Dafür müssen alle Schüler ganztägig angemeldet sein und jeweils zwei Drittel der Eltern und Lehrer zustimmen. Eine reine Nachmittagsbetreuung muss ab zwölf angemeldeten Schülern angeboten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

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