Geldsorgen monopolisieren das Gehirn und senken den IQ

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US-Forscher haben einen neuen Zugang zu Problemen gefunden, die mit Armut amalgamiert sind und sie verschärfen: Mangelnde Vorsorge, mangelnde Pünktlichkeit etc. Alle diese Mängel lassen sich auf den einen zurückführen, den an Geld. Mit ihm sind Arme vollauf beschäftigt.

Dass man „lieber reich und gesund“ ist als „arm und krank“, ist so zynisch wie wahr, Letzteres besonders in der Hinsicht, dass Armut und Krankheit – breiter: Armut und schlechtes Ergehen – oft amalgamiert sind. Arme kümmern sich in Gesundheitsbelangen weniger um Prävention, sie nehmen es mit der Einnahme von Medikamenten nicht so genau, selbst wenn die kostenlos sind, sie sind beim Einhalten von Terminen – bei Ämtern und in der Arbeit – weniger verlässlich, kümmern sich weniger um die Kinder, bringen in der Arbeit weniger zustande.
Wo kommt das her, gehört es zum Elend der Verdammten dieser Erde, ist es also strukturell angelegt, oder fehlt es den Armen an Initiative und Willen? Die Debatte ist so endlos wie steril, und zum Verständnis des Problems trägt sie wenig bei, zur Lösung noch weniger. Deshalb arbeiten Ökonomen um Sendhil Mullainathan (Harvard) an einem neuen Zugang, sie haben zunächst gezeigt, dass Armut in Abwärtsspiralen führen kann – Überziehungszinsen am Konto sind hoch, Jobs gehen wegen Unpünktlichkeit verloren etc.

Abwärts: Armut bringt Armut

Und nun gehen sie dem Wie nach: „Andere haben Armut auf die Umwelt oder auf individuelle Fehler zurückgeführt“, erklärt Mullainathan: „Wir argumentieren, dass der Mangel an finanziellen Ressourcen selbst zu einer Schädigung der Denkfähigkeit führen kann. So kann der schlichte Umstand, dass man nicht genug hat, ein Grund für Armut werden.“
Der Befund stützt sich auf zwei Experimente, eines unternahmen die Forscher selbst, in ihrem Labor: Sie rekrutierten Testpersonen in einem Supermarkt und ließen sie dann zwei Aufgaben ausführen, die oft in IQ-Tests eingehen, bei der einen geht es um Logik, bei der anderen um Selbstkontrolle.
Aber vorher kam noch eine lebenspraktische Frage: „Wenn Ihr Auto kaputt wäre und Sie für die Reparatur x Dollar bräuchten, wie würden Sie dieses Geld auftreiben?“ Das x war einmal hoch angesetzt (1500), einmal moderat (150). Diese Differenz wirkte auf den IQ, aber nur bei Armen (Jahreseinkommen im Durchschnitt: 20.000 Dollar): Wenn sie den Kopf voll hatten mit dem Problem, 1500 Dollar auftreiben zu müssen, schnitten sie im IQ-Test um 16 Punkte schlechter ab – das ist sehr viel –, als wenn es nur um 150 ging. Bei denen stand ihre Intelligenz der der Reichen (Jahreseinkommen 70.000) um nichts nach, und bei den Reichen hatte die fiktive Reparatur auch keinerlei Einfluss, ganz gleich, was sie kosten sollte.

Aufwärts: Geld hebt Intelligenz

Aber Labortests haben etwas Künstliches, deshalb gingen die Forscher im zweiten Schritt in ein natürlich/gesellschaftliches Experiment, ins Feld, wörtlich verstanden, zu Zuckerrohrbauern nach Indien, die einmal im Jahr Geld haben, dann, wenn sie die Ernte verkaufen. „Im Monat danach sind sie ziemlich reich, im Monat davor sind sie ziemlich arm“, berichtet Mullainathan: „Wir haben sie zu diesen Zeitpunkten getestet, und gesehen, dass im Monat nach der Ernte der IQ steigt, die Fehlerquote sinkt und die Reaktionszeit auch.“ Der IQ stieg um zehn Punkte, jeweils bei ein und denselben Personen (Science, 341, S. 976).
„Wenn man arm ist, ist nicht nur das Geld knapp, die kognitive Fähigkeit ist es auch“, interpretiert Mullainathan, „das heißt nicht, dass Arme weniger intelligent sind, sie haben nur den Kopf voll mit den Geldsorgen und deshalb weniger Kapazitäten für anderes frei.“ Es sei wie bei einem Computer, der langsamer läuft, wenn er im Hintergrund beschäftigt ist, vergleicht der Forscher. Und er hat Rat: „Die Politik sollte sich nicht nur um finanzielle Entlastung der Armen bemühen, sondern auch um kognitive Entlastung“, etwa durch einfachere Behördenformulare, oder, bei den indischen Bauern, durch Timing: Anti-Aids-Kampagnen etwa sollten kurz nach der Ernte stattfinden.

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