„Die Hauptschule ist zur Restschule geworden“

INTERVIEW: LANDESHAUPTMANN HASLAUER
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Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP) wünscht sich in der „leidigen Diskussion“ um die Gesamtschule einen Mittelweg: quasi eine abgespeckte Form der gemeinsamen Schule für die Zehn- bis 14-Jährigen.

Salzburg. Nein, man wolle zu dem strittigen Thema Gesamtschule zurzeit lieber nichts sagen, hieß es aus den Büros der beiden schwarzen Landeshauptleute, Günther Platter und Markus Wallner in Tirol und Vorarlberg. Man wolle Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) mitten im Wahlkampf nicht auch noch PR-Unterstützung zukommen lassen. Wilfried Haslauer, seit gut zwei Monaten schwarzer Landeshauptmann von Salzburg, hat damit kein Problem. Warum er – der ja ebenfalls zu jenen ÖVP-Landeschefs gehört, die sich in Schulfragen weniger strikt als die Bundespartei geben – sich so kurz vor der Wahl zu Wort melden will?

„Weil ich in puncto Gesamtschule einiges zu sagen habe“, sagt Haslauer. Unter anderem, weil etwas zu undifferenziert berichtet werde: So werde stets von einer Westachse – also von Vorarlberg, Tirol und Salzburg – für die Gesamtschule gesprochen. „Das ist in dieser Form ja nicht richtig.“ Zumal er davon ausgeht, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine echte Gesamtschule sei.

Es ist allerdings auch nicht ganz falsch. So sagte der Salzburger Landeschef vor nicht allzu langer Zeit, dass die klassischen Gymnasien im Endausbau keine Unterstufe mehr brauchten. Dafür sei die Neue Mittelschule – als einheitliche Schulform – ausreichend.

Idee von Bundes-ÖVP abgelehnt

„Ja, das ist unser Konzept“, bestätigt Haslauer nun. „Wir wollen, dass die Langform des Gymnasiums für Sonderformen bestehen bleibt. Sonst soll es nur noch Neue Mittelschulen geben“, sagt Haslauer. „Diesen Vorschlag haben wir auch an die Bundespartei herangetragen. Er ist aber nicht aufgegriffen worden.“

Würden dann – um bei Salzburg zu bleiben – von den rund 15 Gymnasien, die auch eine Unterstufe anbieten, nur drei übrig bleiben? „Die bestehenden Realgymnasien müssten vor die Wahl gestellt werden, ob sie eine Schwerpunktschule werden wollen oder nicht“, sagt Haslauer. „Wollen sie das, dann gibt es sie weiter in der Langform. Wollen sie das nicht, wäre unsere Idee, dass man eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen schafft.“ Festzulegen sei ein solches Vorhaben allerdings ohnehin auf Bundesebene.

Modellprojekt in Salzburg

In Salzburg wird dennoch bereits ein Modellprojekt gestartet. „Wir haben jetzt eine gemeinsame Lehrerausbildung für die Zehn- bis 14-Jährigen. In diesem Zusammenhang sollte unser Vorschlag ein Versuch sein, um – wenn Sie mir die Bemerkung erlauben – die leidige Diskussion über die Gesamtschule zu beenden“, sagt Haslauer.

Denn diese Debatte sei schlicht zu eingefahren: Die SPÖ wolle die Gesamtschule ohne Wenn und Aber, die ÖVP beharre auf Bundesebene ebenso vehement auf der Beibehaltung der Langform des Gymnasiums, also inklusive der Unterstufe. Ein Mittelweg, wie eben der von ihm vorgeschlagene, könne womöglich eine Brücke schlagen, sagt Haslauer.

Von dem bereits etwas älteren Vorschlag seines niederösterreichischen Kollegen Erwin Pröll (ÖVP), die Volksschule auf sechs Jahre zu verlängern, hält Haslauer aber auch wenig. „Dem kann ich nicht viel abgewinnen.“ Denn es löse das Grundproblem nicht. „Das Problem ist, dass die Eltern nicht wollen, dass ihre Kinder in die Hauptschule gehen“, sagt der Salzburger Landeschef. „Die Hauptschule ist im städtischen Bereich nicht mehr die Hauptschule im Sinn der hauptsächlich besuchten Schule. Sie ist teilweise zur Restschule geworden.“

Deshalb würden Volksschullehrer von den Eltern unter Druck gesetzt, die Schüler bekämen Noten, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun hätten – und würden dann in einer AHS-Unterstufe landen. „Deshalb sagen auch die Gymnasien, dass teilweise Schüler kommen, die dort nichts verloren haben“, so Haslauer.

Insgesamt spricht sich der Salzburger Landeschef für einen „Neuanfang“ in der Bildungspolitik aus. Ob das auch die – zurzeit ebenfalls heftig diskutierte – Ganztagsschule (siehe Artikel unten) betrifft? „Die Volkspartei hat sich hier bereits bewegt“, sagt Haslauer. „Ich bin der Meinung, dass eine nicht verschränkte Form der Ganztagsschule die adäquatere ist.“ Jene Schulform also, bei der die Betreuung am Nachmittag flexibler in Anspruch genommen werden kann.

„Wenn die Kinder, wie in der verschränkten Form vorgesehen, jeden Tag bis 16 oder 17 Uhr in der Schule sein müssen, kommen der Sport und die Freizeitgestaltung unter die Räder“, sagt Haslauer.

Zur Person

Wilfried Haslauer (57) ist seit Juni 2013 ÖVP-Landeshauptmann von Salzburg. Mit Günther Platter (Tirol) und Markus Wallner (Vorarlberg) gehört Haslauer zu jenen schwarzen Landeschefs, die sich zuletzt der Idee einer Gesamtschule etwas angenähert haben. Seitdem ist vielfach von einer Westachse für die Gesamtschule die Rede. Auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) beruft sich immer wieder auf die westlichen Bundesländer. Der studierte Jurist Haslauer ist in der Salzburger Koalition aus ÖVP, Grünen und Team Stronach auch für die Bildungsthemen zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2013)

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