Wirtschaftskammerpräsident Leitl hat mit seiner Kritik am Standort Österreich für Aufregung gesorgt. Doch stimmen seine Aussagen?
„Österreich ist abgesandelt". Mit diesen Worten hat Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl für einen der bisher größten Aufreger im Wahlkampf gesorgt. Widerspruch zu Leitls Kritik am Wirtschaftsstandort kam sogar aus der eigenen Partei: „Nach wie vor gut aufgestellt" sei das Land, versicherte etwa Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner.
Leitl bezog sich auf ein Ranking des Schweizer Wirtschaftsinstituts IMD, in dem Österreich zwischen 2007 und 2013 von Rang 11 auf Rang 23 abgerutscht ist. Negativ wurden dabei unter anderem die hohe Steuerquote und die ineffiziente Verwaltung gewertet.
Am 5. September, rund zwei Wochen nach Leitls Kritik, veröffentlichte das Weltwirtschaftsforum (WEF) seinen aktuellen Global Competitiveness Report. Darin bleibt Österreich wie im Vorjahr auf Rang 16. Im Vorjahr hatte sich das Land um drei Plätze verbessert. Besser als in seinem Durchschnitt schnitt Österreich bei den Faktoren "Spezialisierung in der Wirtschaft" (8. Rang) und "Innovation" (15. Rang) ab. Schlechter bewertet wurden die Bereiche "Effizienz des Arbeitsmarkts" (42. Rang) und "Entwicklung des Finanzmarkts" (37. Platz).
Wifo-Chef Karl Aiginger erklärte in der Standort-Diskussion, Österreich sei unter vergleichbaren Industrieländern "eines der wettbewerbsstärksten Länder". Auf seinen Lorbeeren könne sich das Land aber nicht ausruhen. Und hier dürfte wohl tatsächlich der Knackpunkt liegen. Die genannten und andere Rankings zeigen zwar, dass Österreich im internationalen Vergleich gut da steht. Große unternehmerische Investitionen blieben in den vergangenen Jahren aber so gut wie aus, die großen Industriekonzerne des Landes fahren ihre Österreich-Aktivitäten sukzessive zurück, wie „Presse"-Wirtschaftsredakteur Josef Urschitz unlängst in seiner "Bilanz" darlegte. Auch die Arbeitslosenrate und der Schuldenberg wachsen. Wenn Leitl also, wie er versichert hat, mit „abgesandelt" abgestürzt gemeint hat, ist das zum Teil richtig.

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(Red.)