Präsident Rohani und sein Team schlagen neue Töne an. Ihr Ziel: das Volk von der Misere und den Sanktionen zu befreien.
Kairo/Teheran. Die ungewöhnliche Geste kam via Internet. „Ich wünsche allen Juden, besonders den iranischen Juden, ein gesegnetes Rosh Hashana“, twitterte Irans neuer Präsident, Hassan Rohani, zum jüdischen Neujahrsfest. „So etwas hat es selbst zu Zeiten der Monarchie nicht gegeben“, wunderten sich iranische Blogger. Ganz zu schweigen von Rohanis Vorgänger, Mahmoud Ahmadinejad, von dem jüdische Gläubige und israelische Politiker in den vergangenen acht Jahren nur wüste Drohungen zu hören bekamen, Beschimpfungen, Verdächtigungen und die Leugnung des Holocaust.
„Der Iran hat dies nie geleugnet. Der Mann, der als Leugner wahrgenommen wurde, ist jetzt weg“, twitterte Irans neuer Außenminister Mohammed Javad Zarif einen Tag später, direkt aus Kalifornien per Handybotschaft, auf den Holocaust von Christine Pelosi angesprochen, der Tochter der langjährigen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.
Seit vier Wochen sind Präsident Rohani und seine Mannschaft nun im Amt, und sie nutzen alle Kanäle, um nach innen und außen Akzente zu setzen. Die berüchtigten Abmahnungen in den Uni-Personalakten von politisch aktiven Studenten wurden bereits verboten. Im Atomkonflikt mit den USA signalisierte die neue Führung Gesprächsbereitschaft. Und zu Syrien förderte sie erstmals offenen Dissens im eigenen politischen Establishment zutage. „Syriens Regierung hat schwere Fehler gemacht, die den Weg in die heutige Situation und die Misshandlung des Landes geebnet haben“, kritisierte Zarif nach dem Giftgasangriff.
Den eigentlichen Tabubruch aber vollzog Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, die graue Eminenz der neuen Führung, als er das Regime in Damaskus beschuldigte, seine eigene Bevölkerung vergast zu haben. „Von der einen Seite werden die Menschen von ihrer eigenen Regierung mit Chemiewaffen attackiert, von der anderen drohen ihnen US-Bomben.“
Hardliner laufen Sturm
Irans Hardliner liefen Sturm, verlangten ein Dementi, sodass die staatliche Nachrichtenagentur bereits eine Stunde später eine Fassung verbreitete, in der die Passage gegen Assad fehlte. „Wir werden Syrien bis zum Ende unterstützen“, tönte der Kommandeur der al-Quds-Brigaden, der für den Einsatz im Ausland trainierten Einheiten der Revolutionären Garden. Ein halbes Dutzend iranischer Parlamentarier reiste nach Damaskus, „um das Versagen der Regierung auszugleichen, ihre Pflichten gegenüber Assad zu erfüllen“, wie es ihr Delegationsleiter formulierte.
Daraufhin erschien in der Zeitung „Bahar“ ein Beitrag des früheren iranischen Botschafters im Libanon, der Assad mit Saddam Hussein verglich und davor warnte, die nationalen Interessen an Syrien zu knüpfen. Seit dem iranisch-irakischen Krieg ist Giftgas in der Islamischen Republik verpönt.
In zwei Wochen wird Rohani bei der UN-Vollversammlung seinen Einstand geben – wahrscheinlich einer der am stärksten beachteten Besucher beim jährlichen Völkertreffen in New York. Das Atomdossier hat er in die Hände seines Außenministers Zarif gelegt, der als exzellenter US-Kenner gilt.
Niemand in Teheran hat bessere Kontakte zur politischen Klasse Washingtons als der frühere UN-Botschafter. „Atomwaffen gehören nicht zur Politik des Iran“, beteuerte Zarif in einem Telefonat mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und versprach, man wolle die internationale Besorgnis über das Nuklearprogramm zerstreuen und beseitigen. Denn er und sein Chef Rohani sind überzeugt, dass Irans künftige Außenpolitik der zentrale Schlüssel ist, um das eigene Volk von der Wirtschaftsmisere, der inneren Erstarrung und den drückenden Sanktionen zu befreien. Und so twitterte Rohani auch diese Woche wieder: „Wir sind bereit zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der Welt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)