Ein freundlicher Präsident in Teheran ändert noch gar nichts

Irans neuer Regierung mangelt es nicht an schönen Worten. Das ist gut so, bedeutet aber nicht, dass sich die Islamische Republik ihr Atomprogramm abverhandeln lässt.

Aus Teheran kommen neuerdings freundliche Töne. Der neue Präsident, Hassan Rohani, wünschte diese Woche über seinen englischsprachigen Twitter-Account allen Juden ein gesegnetes Rosh Hashana (Neujahrsfest). Das ist nett, und modern wirkt es auch. Und sein Außenminister, Mohammed Javad Zarif, distanzierte sich twitternd, in aller Kürze also, von der Leugnung des Holocaust, mit der Rohanis Vorgänger, Mahmoud Ahmadinejad, die Welt so gern in regelmäßigen Abständen erschreckt hatte.

Seit dem 12.Juni, seit der überraschenden Wahl von Hassan Rohani zum neuen Präsidenten, tritt Irans Regierung zweifellos gemäßigter auf. Das öffnet ein diplomatisches Fenster. Keiner sollte sich jedoch Illusionen hingeben, dass demnächst die große iranisch-amerikanische Freundschaft ausbricht. Die Hardliner haben ihre Bastionen nicht geräumt, weder in Justiz, Armee, Polizei, Revolutionsgarden, Medien und Parlament noch in Experten-, Schlichtungs– oder Wächterrat. Und über dem Gewirr aus Machtzentren thront Religionsführer Ali Khamenei, der in seinen 24 Jahren an der ungewählten Spitze der Islamischen Republik keine Neigung gezeigt hat, an den reaktionären, antiamerikanischen und antiisraelischen Grundfesten der Mullah-Herrschaft auch nur zu kratzen. Eine Aussöhnung mit dem Westen war in seinem Programm bisher nicht vorgesehen.

Das repressive System ist nicht reformierbar, es legt nur hin und wieder Schminke auf, um sich für die unzufriedenen Bürger oder, wenn wirtschaftlich nötig, auch für das Ausland etwas schöner zu machen. Ende der Neunzigerjahre durfte ein lächelnder Staatspräsident namens Mohammed Khatami Reformhoffnungen wecken, jetzt ist Rohani dran.

Der Iran ist wieder an einem Wendepunkt angekommen. Das Land leidet unter den Sanktionen, die die Weltgemeinschaft nun schon seit sieben Jahren aufrechterhält, um das Regime von seinem Atom(-waffen)programm abzubringen. Rohani hat das Problem erkannt. Man solle die internationalen Strafmaßnahmen nicht verharmlosen, sagte er vor dem Expertenrat: Der Iran verdanke sein Haupteinkommen dem Ölexport, verkaufe aber wegen der Sanktionen eine Million Barrel Öl weniger pro Tag. Das belaste die Wirtschaft des Landes und das Leben der Menschen.

Genau aus diesem Grund ist Rohani derzeit so umgänglich, deshalb will er mit dem Westen reden und die Sanktionen wegverhandeln. Ende September sollen Diplomaten in Wien in eine neue Gesprächsrunde im endlosen Atomstreit einbiegen. Es ist einen Versuch wert, erwarten sollte man sich allerdings nicht allzu viel davon. Wer die iranische Regierung nicht an schönen Worten, sondern an Taten misst, für den war bisher keine substanzielle Veränderung wahrnehmbar. Im jüngsten Bericht der Atomenergiebehörde IAEA ist nachzulesen, dass sich im Iran mehr Zentrifugen denn je drehen, um Uran in einem Ausmaß anzureichern, das nicht mehr bloß zivilen nuklearen Zwecken dienen kann.


Zudem drohen der Iran und die Weltgemeinschaft schon im Anlauf zu neuen Verhandlungen zu stolpern. Der bevorstehende Militärschlag gegen Irans Verbündeten Syrien könnte das Tauwetter schnell wieder in eine Eiszeit verwandeln. Rohani hat sich bisher auffallend zurückgehalten; er scheint die Syrien-Krise vom Atomstreit trennen zu wollen. Doch das wird ihm auf Dauer kaum gelingen. Sobald die ersten Raketen auf Syrien niedergehen, erhalten in Teheran die Falken Aufwind. Rhetorisch haben sie schon jetzt den Finger am Abzug und drohen mit Vergeltungsschlägen gegen Israel. Im Fall eines Kriegs in Syrien sollte sich „der Westen um sein illegitimes Kind in der Region sorgen“, warnte Parlamentspräsident Ali Larijani düster und meinte damit Israel. Das klang dann schon weniger charmant als die Neujahrsgrüße.

Rohanis Versöhnungstour könnte ziemlich abrupt in Damaskus enden, bevor der Westen überhaupt eine Chance hatte festzustellen, ob es die Iraner diesmal ernst meinen. Es wird viel diplomatisches Geschick nötig sein, Atomverhandlungen mit dem Iran nach einem Syrien-Schlag auf Spur zu halten, und noch größeres, um sie erfolgreich ins Ziel zu bringen. Doch davon wagt ohnehin kaum jemand zu träumen.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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