„Man kennt sich, man grüßt sich“

Designexperte Thomas Neuber wohnt und arbeitet in Wien Mariahilf, im Viertel um die Lehargasse, wo vermeintliche Gegensätze ein tolles Ganzes ergeben.

Genau drei Wohnungen hat Thomas Neuber besichtigt, als er vor fast 15 Jahren von Oberösterreich nach Wien übersiedelt ist. „Hauptsache innerhalb des Gürtels“, war das einzig wirklich wichtige Kriterium, eingezogen ist er in eine 100 Quadratmeter große Wohnung in der Laimgrubengasse in Mariahilf. Und genau dort lebt er immer noch. „Die Wohnung war perfekt für die Junggesellen-zeit, jetzt ist sie ideal für die Familie“, schwärmt Neuber vom praktischen Grundriss des Altbaus, in dem sich ordentliche Partys genauso gut feiern lassen wie Kindergeburtstage – je nach Lebenslage.

Doch nicht nur die Wohnung (in einem Haus, das der Architekt und Möbeldesigner Hugo Gorge vor dem Ersten Weltkrieg erbaut hat), sondern auch das Grätzel selbst zwischen Gumpendorfer Straße, Getreide- und Naschmarkt hat es ihm angetan, seit einigen Jahren ist in der Lehargasse der Schauraum von Destilat Architecture + Design angesiedelt, jenem Büro, in dem Neuber mit zwei Partnern an Gestaltungskonzepten für private und gewerbliche Objekte arbeitet.

Im Umkreis von 300 Metern

Neben den kurzen Wegen – „Wohnung, Job, Kindergarten, der Park vor der Haustür, alles ist in der Nähe, das Leben kann sich im Umkreis von 300 Metern abspielen“ – schätzt Neuber die zentrale Lage. „Man ist gleich bei der Hofburg in der City, gleich bei Kunsthalle und Naschmarkt, gleich beim McDonald's auf der Mariahilfer Straße.“ Und außerdem mag er die bunte Mischung der gewachsenen Strukturen dort, die Gegensätze, die ein tolles Ganzes ergeben. „Es gibt Altes, Urwienerisches, und es gibt Neues, Cooles.“ Das gilt für Friseure – klassischer Coiffeur und hipper Salon – genauso wie für Lokale, vom traditionellen Sperl über das Café-Pub-Multistore Girardi bis hin zu Suppito, ON Market und der Cocktailbar namens Puff.

Die Destilat-Betreiber haben sich darüber hinaus ein Grätzel ausgesucht, in dem sich mittlerweile so einige Kollegen aus der Branche finden. Es gehe jetzt als regelrechtes Möbel- und Designviertel durch, sagt Neuber. Im Semperdepot in der Lehargasse etwa gibt es entsprechende Messen, in der Gumpendorfer Straße werden im Lichterloh Liebhaber von Stücken aus dem 20.Jahrhundert fündig, in derselben Straße kümmert sich das Quas um exklusive Inneneinrichtung.

1999, als Neuber offiziell Wiener wurde, war das noch nicht so, „das Grätzel nicht wirklich hip“. „Selbst der Naschmarkt war ein Insidertipp“, erinnert sich Neuber ein wenig wehmütig zurück. „Damals konnte man noch entspannt zwischen den Standln spazieren, jetzt schieben sich, speziell am Samstag, die Besuchermassen durch. Es ist total kommerzialisiert.“

Gerade der nahe Naschmarkt sei für viele aber guter Grund, eine Wohnung in dem Grätzel zu suchen, sagt Martin Müller von JP Immobilien, befragt nach Angebot, Nachfrage und Preisen dort. Er selbst – die Firma sitzt seit 13Jahren in der Lehargasse – mag die Gegend ebenfalls sehr. „Wir sind wahnsinnig zufrieden.“ Die Nachfrage nach Wohnungen sei hoch, eben auch, weil sich so viel tue, etwa im Möbel-, Gastro- und Kreativbereich. „Nachschub allerdings gibt es ganz wenig, es wird kaum etwas frei.“ Hin und wieder kämen einzelne Eigentumswohnungen auf den Markt, selbst in unsaniertem Zustand könne der Quadratmeter rund 4000 Euro kosten. Bei exklusiveren Projekten seien die Preise natürlich höher. „Bei den Mieten muss man – nicht zuletzt wegen der Nähe zum ersten Bezirk – bei guter Qualität mit rund zwölf Euro pro Quadratmeter rechnen.“

Für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen hat Thomas Neuber jedenfalls nicht geplant. Er will mit seiner Familie fürs Erste in der Lehargassen-Gegend bleiben. „Wien muss man sich erarbeiten, dabei hat mir das Grätzel geholfen. Man kennt sich eben, man grüßt sich. Und mittlerweile komme ich wirklich nach Wien nach Hause.“

Grätzeltipps

Anschauen: Fillgraderstiege (verbindet Theo-bald- und Fillgradergasse), 2004 zur viertschönsten Stiege Europas gekürt.

Ausrasten: Alfred-Grünwald-Park, Grünoase auf 9000 (von der Linken Wienzeile aus kaum erahnbaren) Quadratmetern.

Ansiedeln: große Nachfrage, kleines Angebot. Mieten rund zwölf €/m2 bei guter Wohnqualität, Eigentum ab 4000 €/m2 (sanierungsbedürftig!)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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