Moskau: Klage über Unregelmäßigkeiten

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Bei der ersten Bürgermeisterwahl in Russlands Hauptstadt seit dem Jahr 2003 sollen Soldaten massenhaft zur Stimmabgabe gezwungen worden sein.

Moskau/Wien/Ag. Die Bevölkerung in Russlands Hauptstadt Moskau konnte am Sonntag erstmals seit zehn Jahren wieder direkt über ihren Bürgermeister entscheiden. Bei der Abstimmung wollte der oppositionelle Blogger Alexej Nawalny den Kreml-nahen Amtsinhaber Sergej Sobjanin in eine Stichwahl zwingen.

Unabhängige Wahlbeobachter beklagten schon am frühen Nachmittag erste Unregelmäßigkeiten. So seien Soldaten zur massenhaften Stimmabgabe gezwungen worden. Zudem würden in einigen Wahllokalen die Webcams nicht funktionieren, mit denen mögliche Manipulationen dokumentiert werden sollten. Die Wahlkommission sagte eine Prüfung zu.

Der Urnengang in der größten Stadt Europas gilt als wichtigste Wahl seit den Massenprotesten gegen Kreml-Chef Wladimir Putin vor eineinhalb Jahren. Unter dem Eindruck der Demonstrationen hat der Kreml die Wahl der Gebietsgouverneure – mit Bedingungen – wieder eingeführt, die Putin 2004 abgeschafft hatte. Zudem wurde erstmals die vom Kreml so bezeichnete radikale Opposition zugelassen. Zuletzt hatten die Moskauer 2003 ihren Bürgermeister direkt bestimmt.

„Gar nicht so einfach, ins Wahllokal zu kommen“, twitterte Nawalny nach der Stimmabgabe. Viele Journalisten und Anhänger begleiteten den charismatischen Anwalt und seine Familie beim Urnengang im Stadtteil Marino. Der 55 Jahre alte Sobjanin wählte mit seiner Frau Irina unter starken Sicherheitsvorkehrungen im Zentrum der Metropole. Die Wahllokale für die rund 7,2 Millionen Wahlberechtigten schlossen um 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit.

Abstimmung in neun Zeitzonen

Der vom Kreml eingesetzte Sobjanin ist in Umfragen mit etwa 55 Prozent der Stimmen weit vorn gelegen. Für Nawalny sagten Meinungsforschungsinstitute nur rund 15 Prozent voraus. Seine erste Kandidatur bei einer Wahl kröne den 37-Jährigen aber zum Führer der zersplitterten Opposition gegen Putin, meinen regierungskritische Medien. Nawalnys Kandidatur stand lange auf der Kippe. Nur weil ein umstrittenes Urteil zu fünf Jahren Straflager wegen Veruntreuung noch nicht rechtskräftig ist, durfte er teilnehmen.

Auch in vielen anderen Regionen des Riesenreichs wurde abgestimmt. Dabei konnten sich die Wähler erstmals zwischen 54 Parteien entscheiden – neunmal mehr als bisher. Kritiker werfen dem Kreml vor, mit einer Massenzulassung Verwirrung unter den Wählern stiften zu wollen. Als besonders interessant galt die Wahl im Moskauer Umland mit dem Bewerber Gennadi Gudkow, der Anti-Putin-Proteste mitorganisiert hatte, sowie in der Millionenstadt Jekaterinburg, wo der Antidrogenkämpfer Jewgeni Roisman für die Opposition kandidierte. Die Abstimmungen fanden in neun Zeitzonen statt. Im Fernen Osten, der vom schlimmsten Hochwasser seit 120 Jahren betroffen ist, setzte die Wahlkommission 20 Ruderboote ein, um Bewohnern überschwemmter Gebiete die Stimmabgabe zu ermöglichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2013)

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