Kommunalwahl in Moskau: Nawalny wird zum Polit-Faktor

Nawalny erreichte zwar 27 Prozent bei der Moskauer Bürgermeisterwahl in Moskau, konnte jedoch keine Stichwahl erreichen.
Nawalny erreichte zwar 27 Prozent bei der Moskauer Bürgermeisterwahl in Moskau, konnte jedoch keine Stichwahl erreichen.(c) REUTERS
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Der Oppositionsführer und Blogger schneidet deutlich besser als erwartet ab und wirft dem Sieger Wahlfälschung vor. Sergej Sobjanin bleibt Bürgermeister.

Es ist wohl die Krönungswahl für Alexej Nawalny, den Führer der zerstrittenen russischen Opposition - für den Mann, der auch Kremlchef Wladimir Putin einmal besiegen will. Der 37-Jährige erreichte bei der Bürgermeisterwahl in Moskau am Sonntag nach einem erbittert geführten Straßenwahlkampf ein Kunststück der russischen Politik: Aus dem Stand holte er 27,24 Prozent der Stimmen - etwa das Doppelte des Erwarteten.

Ein Erfolg, der den Wahlsieg des kremlnahen Amtsinhabers Sergej Sobjanin allerdings nicht verhindern konnte. Der 55 Jahre alte Weggefährte von Kremlchef Wladimir Putin kam auf rund 51,37 Prozent der Stimmen, wie die Wahlleitung der Agentur Interfax am frühen Montag mitteilte. Eine Stichwahl werde es nicht geben. Während Sobjanin das Ergebnis als Bestätigung seines Kurses wertete, kündigte Nawalny noch für Montagabend Proteste gegen den Ausgang der Wahl vom Sonntag an. Er will eine zweite Runde erreichen und sprach noch am Wahlabend von "eindeutigen Fälschungen".

Unabhängige Wahlbeobachter beklagten schon am frühen Nachmittag erste Unregelmäßigkeiten. So seien Soldaten zur massenhaften Stimmabgabe gezwungen worden (>> mehr dazu). Nawalnys Stab will eine gerichtliche Anfechtung der Ergebnisse prüfen. "Wir bestehen darauf, dass das Ergebnis von Sergej Sobjanin nicht höher als 49,4 Prozent ist - und das bedeutet, dass es eine zweite Runde geben muss", sagte Stabschef Leonid Wolkow. Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos bezweifelte ebenfalls, dass Sobjanin die nötigen 50 Prozent im ersten Wahlgang tatsächlich erreicht hat.

"Die offensten und ehrlichsten Wahlen"

Dagegen wertete Sobjanin das Resultat als eine Absage der Moskauer an einen möglichen Machtwechsel in der größten europäischen Stadt. "Wenn versucht wird, die Stadt zu einem politischen Schlachtfeld für eine Revolution zu machen - dann brauchen das die Moskauer absolut nicht", sagte Sobjanin. Er habe alles getan für eine ehrliche Wahl. "Wir haben die offensten und ehrlichsten Wahlen in der Geschichte Moskaus organisiert." Der Urnengang galt auch als Stimmungstest für das Machtlager um Putin. Die Wahlbeteiligung in Moskau wurde mit rund 32 Prozent angegeben - deutlich weniger als erwartet. Sechs Kandidaten standen auf den Stimmzetteln.

Nawalny war im Juli in einem umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Haftstrafe wurde allerdings bis zu einem Berufungsverfahren ausgesetzt, um dem 37-Jährigen die Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen. Der Blogger, der oft nationalistische Töne anschlägt, führte seinen Wahlkampf vor allem auf der Straße und im Internet.

Der Professor Nikolai Petrow von der Wirtschaftshochschule in Moskau sagte, Nawalny sei mit der Wahl zu einem "Politiker von nationaler Bedeutung" geworden. Der Kreml habe ihn aus taktischen Gründen zur Wahl zugelassen, um den Urnengang zu legitimieren. Die Strategie habe funktioniert. Wahrscheinlich werde Nawalnys Haftstrafe nun in eine Bewährungsstrafe umgewandelt, weil sonst massive Proteste drohten, sagte Petrow.

Duell mit zwei Siegern

Es war ein mit Spannung erwarteter Tag der Entscheidung für den Anti-Korruptionskämpfer Nawalny als Galionsfigur der Protestbewegung gegen Putin. Nawalny will den Präsidenten bei der nächsten Wahl des Staatsoberhaupts 2018 in die Knie zwingen.

Der Anwalt und Blogger ist dem Kreml ein Dorn im Auge, weil er zum Ärger Putins das System immer wieder als korrupt, hintertrieben und voller Willkür brandmarkt. Putin schien zuletzt die laufenden Strafverfahren gegen Nawalny zu verteidigen: Wo "dieser Mann" aufkreuze, gebe es Ärger, meinte er. Am Sonntag bei seiner Stimmabgabe sprach der Kremlchef seinem Gegner noch jede Eignung als Rathauschef ab: "Großstädte benötigen keinen Politiker, sondern einen Menschen, der zu arbeiten versteht", sagte Putin in die Mikrofone.

Oppositionskandidat siegt in Jekaterinburg

Neben dem guten Abschneiden Nawalnys konnte die Opposition einen weiteren Erfolg verbuchen: In der Millionenstadt Jekaterinburg am Ural siegte der Oppositionskandidat Jewgeni Roisman gegen den Kandidaten der Regierungspartei Geeintes Russland. Der 50 Jahre alte frühere Parlamentsabgeordnete hat sich landesweit einen Namen als Anti-Drogenkämpfer gemacht. Er wurde von der Bürgerplattform des Oligarchen Michail Prochorow unterstützt - der Milliardär hatte 2012 gegen Putin bei der Präsidentenwahl kandidiert.

Landesweit waren bei den Kommunalwahlen am Sonntag rund 40 Millionen Bürger aufgerufen, neue Bürgermeister, Gouverneure und Stadtparlamente zu wählen. In der Großstadt Jaroslawl schaffte die Opposition ebenfalls den Einzug ins Parlament. Im Wesentlichen setzten sich allerdings bei den Abstimmungen erneut die Kandidaten des Putin-Lagers durch. Bei der Gouverneurswahl im Moskauer Gebiet erhielt der Kremlkandidat Andrej Worobjow nach offiziellen Angaben rund 80 Prozent der Stimmen.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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