Missbrauch im SOS-Kinderdorf: Siebenjähriger als Opfer

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Die Übergriffe fanden in einer Wohngruppe statt. Der Anwalt der Familie des Opfers wirft den Verantwortlichen vor, nicht rechtzeitig reagiert zu haben.

Schwere Vorwürfe gegen die Jugendwohlfahrt erhebt der Anwalt der Familie eines Siebenjährigen, der in einer Wiener Wohngruppe des SOS-Kinderdorfs von einem zwölfjährigen Mitbewohner sexuell missbraucht wurde. Obwohl es bereits vor einem Jahr zu Übergriffen kam, wurden die beiden erst nach einem Vorfall im Frühjahr dieses Jahres getrennt – der Siebenjährige wohnt wieder bei seinem Vater, der Zwölfjährige in einer Einrichtung in der Steiermark.

Bei SOS-Kinderdorf räumt man die Vorkommnisse ein, von einem Fehlverhalten der Betreuer könne aber keine Rede sein. Nach den ersten „sexuellen Aktivitäten“ zwischen den damals fünf- und zehnjährigen Kindern habe man sehr wohl reagiert, wie Elisabeth Hauser, Leiterin des Fachbereichs Pädagogik, berichtet. „Die Betreuer erkannten, dass diese Aktivitäten nicht als normale Entwicklung einzuordnen sind“, sagt Hauser. „Daher brachten sie sie in verschiedenen Räumen unter und führten therapeutische Gespräche mit ihnen – auch mit externen Pädagogen.“

Das sei die „normale Vorgehensweise“ in solchen Fällen. Zwar wollte man die Kinder damals schon trennen, aber es habe weder in Wohngruppen des SOS-Kinderdorfs noch in denen der Stadt Wien einen Platz gegeben.
Im Frühjahr 2013 kam es schließlich zu einem erneuten Vorfall. „Die beiden schlossen sich im Badezimmer ein, und es folgte eine massive sexuelle Grenzüberschreitung“, so Hauser. „Woraufhin für die Betreuer klar war, dass die beiden nicht mehr in derselben Wohngruppe leben können.“

„Im Nachhinein wissen wir . . .“

Dass es dabei zu einer Vergewaltigung kam, wie Alexander Krasser, der Anwalt der Familie des Opfers, behauptet, will Hauser nicht bestätigen. Das müssten „juristische Instanzen“ klären. Krassers Vorwurf, die Kinder hätten schon früher in unterschiedlichen Wohngemeinschaften untergebracht werden müssen, weist sie zurück. „Die Betreuer reagierten angemessen. Im Nachhinein wissen wir, dass wir sie früher hätten trennen sollen, aber dieser Verlauf war nicht absehbar.“

Krasser hingegen spricht von „gefährlicher Selbstherrlichkeit“ der Jugendwohlfahrt, die „rechtsstaatlich bedenklich“ sei. „Wenn sich Vorfälle wie diese innerhalb einer Familie ereignen, werden Kinder den Eltern sofort weggenommen. In einer solchen Einrichtung werden die Ereignisse schöngeredet, und das Opfer wird am Tatort zurückgehalten, wo es ständig an Übergriffe erinnert wird.“ Auch kann er nicht nachvollziehen, dass Hauser die Vergewaltigung negiert. „Sogar die Betreuer gaben bereits zu, dass es zu einer Vergewaltigung kam.“

Hauser betont unterdessen, dass sexuelle Grenzüberschreitungen wie diese in Wohngruppen des SOS-Kinderdorfs nur sehr selten vorkämen – „vielleicht zwei- bis dreimal im Jahr“. Kleinere Übergriffe gebe es hingegen immer wieder, da viele Kinderdorf-Bewohner aus Familien kämen, „in denen Sexualität in zu offener, erwachsener Weise gelebt wird“. Die Verantwortlichen würden diesen Vorfall „jedenfalls nicht einfach nur abhaken, sondern betrachten ihn als Lernauftrag für die Zukunft. Ganz auszuschließen sind solche Fälle aber auch in Zukunft nicht.“

Die Forderung nach Einrichtungen für Kinder, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, bezeichnet Hauser als einen Gedanken, „der mir auf Anhieb nicht so gut gefällt“. Einen solchen Bedarf sehe sie nicht. Sozialpädagoge Peter Wanke vom Verein Limes, der jugendliche Sexualstraftäter behandelt, kritisierte am Montag in Ö1, dass es in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – keine speziellen Wohngemeinschaften für jugendliche Missbrauchstäter gibt.

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