Der demokratische Präsident, der nie eine Mehrheit hatte

Salvador Allende
Salvador Allende(c) REUTERS (IVAN ALVARADO)
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Salvador Allende, der Arzt und Marxist wollte Chile zum Sozialismus „bekehren“, hatte aber die Masse des Volkes gegen sich, und die USA.

Dass Salvador Allende der erste Marxist war, der zum Präsidenten Chiles gewählt wurde, lag vor allem daran, dass ihm nach drei vergeblichen Kandidaturen der Ruf des ewigen Verlierers anhaftete. Nicht einmal die CIA rechnete damit, dass der Arzt und Anführer der Sozialisten bei der Präsidentenwahl 1970 die Mehrheit erobern würde können. Als dann Kunde kam, dass er 39.000 Stimmen mehr bekommen hatte als sein Hauptgegner, der konservative Greis Jorge Alessandri, senkte US-Präsident Richard Nixon den Daumen: Noch vor Amtsantritt überlebte Allende den ersten Anschlag. Und der verfassungstreue Armeechef René Schneider erlag einem Attentat.

Die Jahre 1971–73 erlebten die meisten Chilenen als explosives „Delirium“, geprägt von Wirtschaftskrise, politischer Radikalisierung und Gewalt. Der Versuch Allendes, eine sozialistische Gesellschaft demokratisch aufzubauen, musste scheitern, weil das Projekt keine politische Mehrheit hatte: Allende war aufgrund des Mehrheitswahlrechts mit 36,8 Prozent gewählt worden, die Parlamentswahl im März 1973 brachte seiner „Volkseinheit“-Front nur 44 Prozent der Stimmen.

Mit Enteignungen und Verstaatlichungen wollte Allende den Wohlstand umverteilen und die Abhängigkeit Chiles von fremden Konzernen mindern. Weil US-Firmen betroffen waren, verhängten die USA ein Embargo. Mit der Notenpresse versuchte Allende, den Konsum anzufeuern, was nach einem guten ersten Jahr in Hyperinflation mündete, 1973 waren es 600 Prozent. Weil ihre Löhne nichts mehr wert waren, kündigten viele Arbeiter der Regierung die Gefolgschaft und streikten. Unterstützt von konservativen Kreisen legten die Lkw-Fahrer die Versorgung lahm. Als die Militärs unter Führung von Augusto Pinochet putschten, hatte die Hauptstadt Santiago nur noch Mehlvorräte für zwei Tage.

Allende, das wurde 2012 von Medizinern bestätigt, erschoss sich am 11. September 1973 im Präsidentenpalast La Moneda. Die Kalaschnikow, die er sich unters Kinn gehalten hatte, war ein Geschenk von Fidel Castro – der hatte nie versucht, den Sozialismus auf demokratischem Weg zu installieren. Andreas Fink

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2013)

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