Spindelegger: "Im Kern bin ich immer der Gleiche"

Spindelegger Kern immer Gleiche
Spindelegger Kern immer Gleiche(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Oberösterreich ist entscheidend für die Wahl. Der ÖVP-Obmann, der die Wirtschaft entfesseln möchte, wirbt hier für flexible Arbeitszeiten und trinkt Bier mit den Arbeitern.

Linz. „Ganz schön viele Rote rund um Sie herum“, bekommt Michael Spindelegger zugerufen, bevor der Fotograf abdrückt. So ist das Lachen auf dem Bild, das sich die Familie Hargasser wohl stolz ins Fotoalbum kleben wird, zumindest natürlich. Denn dass ein Bundespolitiker sich ins oberösterreichische Weng verirrt, kommt nicht wirklich oft vor. Der Vizekanzler und ÖVP-Spitzenkandidat ist jedenfalls zum ersten Mal da.

Dementsprechend groß ist der Aufwand, der an diesem späten Mittwochnachmittag betrieben wird: Sekt wird ausgeschenkt, eine Musikgruppe spielt, und die 200 Mitarbeiter des Familienbetriebs haben sich für das Foto in ihrem roten Arbeitsgewand zusammengetrommelt. „In Schwarz haben wir es leider nicht“, meint ein Mitarbeiter.

Für Spindelegger sollte es trotzdem ein Heimspiel sein. Denn die Firma verkörpert genau das, wofür seine ÖVP stehen will: funktionierende Wirtschaft, eng am Standort Österreich gebunden, mit Fokus auf die Familie. Außerdem werden hier noch weitere Arbeitsplätze geschaffen: Neben dem riesigen Firmengelände soll bald ein Schulungsgebäude entstehen. Spindelegger ist extra für den Spatenstich gekommen.

Wenn er also für das Foto die Schaufel in die Erde drückt, ist er bereits seit zwölf Stunden unterwegs. Um sechs Uhr früh ist es von Wien Richtung Oberösterreich losgegangen: ein Besuch bei einem Radiosender in Linz, ein Betriebsbesuch in Wels. Das Gebäude sei energieautark und nach den Regeln des Feng-Shui aufgebaut, bekommt er dort zu hören. Für Spindelegger aber viel wichtiger: Eine Erbschaftssteuer, wie sie die SPÖ fordert, wolle man auf keinen Fall haben.

Im eigenen „Dr. Michael Spindelegger“-Tourbus reist der Spitzenkandidat von Ort zu Ort, um für sich und seine Partei zu werben. Dort, gemütlich auf dem schwarzen Sitz, lässt er sich seine Termine durch den Kopf gehen: Am Donnerstag ist er in der Steiermark, dann im Burgenland, am Sonntag in Wien. Anstrengend sei das, ja, „aber es ist nun einmal Wahlkampf“.

Und es ist kein Zufall, dass nach dem relativ spät angesetzten Wahlkampfauftakt der Bundespartei am Dienstag in Wien tags darauf die Auftaktveranstaltung in Oberösterreich folgt: Das Bundesland ist für die Volkspartei besonders wichtig. Es ist ein „Battle Ground“, SPÖ und ÖVP liefern sich hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und das Potenzial ist groß: 1,1 Millionen Wahlberechtigte gilt es hier zu überzeugen – beinahe so viele wie in Wien. Die Partei könnte hier ihre Schwäche in der tiefroten Hauptstadt ausgleichen.

Mit Betonung auf könnte: Denn vor fünf Jahren ist es ihr jedenfalls nicht gelungen. Im Gegenteil, bei der letzten Nationalratswahl im Jahr 2008 fuhr sie mit 26,8 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1945 ein. Damals war der Spitzenkandidat ein anderer, wird in der Partei argumentiert. Michael Spindelegger suche nun verstärkt den Kontakt zu den Bürgern – und komme dort auch besonders gut an: „Die Leute mögen ihn.“

Spindelegger hat allerdings nicht gerade den Ruf, besonders bürgernah und umgänglich zu sein. Viel öfter fallen im Zusammenhang mit ihm die Begriff „fad“ und „trocken“. Umso mehr überraschte es, als Spindelegger im Fernsehen herumtänzelte und sich betont energiegeladen gab. „Das war überhaupt nicht überraschend“, meint der ÖVP-Chef selbst dazu. Er sei eben einmal so und einmal so. „Die Medien haben mir ein Image angedichtet.“ Jetzt, wenn (wieder) sein wahrer Charakter zu sehen sei, hätten die Journalisten Erklärungsbedarf. „Im Kern bin ich immer der Gleiche.“

Herumgetänzelt wird auf dem Betriebsgelände aber dann doch nicht. Spindelegger bemüht sich allerdings sichtlich, mit den Arbeitern ins Gespräch zu kommen. „Woher kommen Sie?“, fragt er den einen. „Wie geht's Ihnen so?“, den anderen. Und er hat sich vorbereitet: „Über 50.000 Kessel haben Sie schon verkauft? Beeindruckend!“ Die beiden Männer antworten ihm nur einsilbig. Sie fühlen sich wohl auch etwas beobachtet, denn kaum bewegt sich Spindelegger zu ihnen hin, hat er gleich eine Handvoll Journalisten und Kameramänner im Schlepptau.

„Ihr habt also flexible Arbeitszeiten?“

Daher vergisst der ÖVP-Chef auch nicht, seine Wahlkampfbotschaft zu deponieren: „Wie lange arbeitet ihr denn so pro Tag?“, will er wissen. „Das ist unterschiedlich, je nach Saison“, antwortet ein Mann mit grauem Haar. Genau das wollte Spindelegger hören: „Ihr habt also flexible Arbeitszeiten?“, hakt er erfreut nach. Das wolle er für Österreich umsetzen. Dann stößt er mit oberösterreichischem Bier an, dazu gibt es Brot mit – ja, womit eigentlich? „Erdäpfelkas“, klärt ihn eine junge Frau auf, die mit einem Tablett durch die Menge geht.

Dann ist der ÖVP-Chef schon bei der nächsten Menschengruppe und schüttelt fleißig Hände. Das sei eine der schwierigsten Sachen bei solchen Auftritten, meint er: „Den Überblick zu behalten, wen man schon begrüßt hat. Wenn man jemandem zweimal die Hand gibt, wird es peinlich.“

Doch wie kommt Spindelegger tatsächlich bei den Leuten an? „Er ist nett“, meint ein Arbeiter. Und fügt grinsend hinzu: „So wie alle Politiker nett sind im Wahlkampf.“ Dass er die Firma besuche, freue ihn allerdings. Das sei gut fürs Geschäft. Wählen will er ihn allerdings nicht. Offiziell für Spindelegger kein Problem: „Ich sammle Eindrücke, keine Stimmen“, meint er dazu.

Eine gut einstudierte Antwort. Aber immerhin: Es ist beinahe 20 Uhr, als Spindelegger zum ersten Mal sein Lieblingswort in diesem Wahlkampf in den Mund nimmt: „entfesselt“. „Ich habe ein Programm vorgestellt, das zeigt, wie die Wirtschaft entfesselt wird“, sagt er beim Wahlkampfauftakt vor 1500 Parteifreunden. Und die Menge jubelt. Diesmal ist es aber wirklich ein Heimspiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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