Der Löwe aus München brüllt

Loewe Muenchen bruellt
Loewe Muenchen bruellt(c) EPA (MICHAEL KAPPELER)
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Die Landtagswahl in Bayern verhilft der CSU unter Regionalfürst Horst Seehofer zum bundespolitischen Comeback – für Angela Merkel ein ambivalenter Erfolg.

Berlins Parteigranden waren am Sonntagabend auf das Münchner Maximilianeum fixiert, den Sitz des Bayerischen Landtags, das wie eine Residenz über der Isar-Metropole thront. Gewinnen die Christlich-Sozialen unter ihrem „König Horst“, der modernen Abart des „Kini“, bei den Landtagswahlen im Freistaat die absolute Mehrheit zurück? Schaffen die Liberalen als Steigbügelhalter den Sprung über die Fünfprozenthürde? Wie schlägt sich die Opposition, allen voran die Sozialdemokraten unter dem Münchner „Sonnenkönig“ und Schwabinger Salonintellektuellen Christian Ude? Dies hat eine Woche vor den Bundestagswahlen Signalcharakter, als Omen für den nationalen Urnengang.

Die CSU-Formel „50 + x“, eine Mehrheit jenseits der einst gewohnheitsmäßigen 50 Prozent, war außer Reichweite. Vor fünf Jahren schlichen ja die Stoiber-Erben, Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber, gesenkten Hauptes aus dem Maximilianeum. Das Spitzenduo hatte geradezu ein Debakel erlitten. Die ihrem Selbstverständnis nach bajuwarische Staatspartei war zwar immer noch eine konservative Hausmacht, doch sie war auf die Normalgröße einer Regionalpartei geschrumpft. Entsprechend schwand ihre bundespolitische Bedeutung – als Impulsgeber oder Störfaktor, je nach Perspektive. Angela Merkel nahm den Bedeutungsverlust der Schwesterpartei als Kanzlerin durchaus zufrieden zur Kenntnis, der allerdings bereits mit dem Verzicht Edmund Stoibers auf ein Ministeramt in Berlin anno 2005 und dem späteren Putsch bei der Klausur in Wildbad Kreuth eingesetzt hatte.

Nun also sollte es Horst Seehofer als Retter in der Not richten, der populäre, aber intern ungeliebte Instinktpolitiker, den viele CSU-Granden zum Teufel wünschten und der gleichsam vom politischen Tod auferstanden war. Dass der Ingolstädter Familienvater und Eisenbahnfan als Minister in Berlin ein uneheliches Kind mit einer Parteifreundin gezeugt hatte, schadete ihm zwar anfangs im Intrigenspiel, nötigte manchem aber Respekt ab – unter dem Motto „A Hund, a verreckta, is er scho“. Auch seine, gelinde gesagt, ambivalente Beziehung zu Merkel trug ihm in Bayern Anerkennung ein.

Nur der wetterwendische Populist mit der ungehemmten Spottlust und der hintersinnigen Ironie hatte das Zeug, die CSU wieder aus dem historischen Tief zu ziehen. Dass Seehofer über Nacht seine Meinung zu Studiengebühren, Donau-Ausbau oder Atomkraft über den Haufen geworfen und dabei die Position der Opposition übernommen hat, folgt einer gewissen anarchischen Tradition in Bayern. Nicht einmal die „Verwandtenaffäre“, die den Nepotismus der großen Parteien bloßlegte, konnte den Christlich-Sozialen etwas anhaben. Die geradezu erdrückende Breite der CSU, die bei der SPD, den Grünen und Liberalen gleichermaßen wildert, macht ihre Stärke aus. „Laptop und Lederhose“, die Devise der Stoiber-Ära, umreißt diese Bandbreite. Kein Zufall auch, dass sich Stoiber, Seehofer & Co. ständig mit Bayern München vergleichen.


Franz Josef Strauß, der legendäre Parteipatriarch, formulierte einst das Credo, es dürfe rechts von der CSU keine Partei geben – bis heute Teil ihres Erfolgsrezepts. Wenn auch noch die Wirtschaft des Technologiestandorts, Heimat von Weltmarken wie BMW und Siemens, floriert, bleiben der Opposition lediglich Nadelstiche übrig. Eigentlich war sie ja ausgerückt, die Regierungspartei CSU nach mehr als 50 Jahren in die Opposition zu verbannen. Für die Polit-Hygiene im Land wäre dies überfällig. Münchens populärer Oberbürgermeister Ude, der stets Distanz hielt zur Bayern-SPD, rechnete sich Chancen aus. Im Lauf des Wahlkampfs, als er durch die Dörfer zog, wirkte er indes wie ein Fremdkörper in oberbayerischen Ställen und niederbayerischen Bierzelten. Er stand auf verlorenem Posten, ähnlich wie Parteifreund Peer Steinbrück.

So wird sich die Opposition weitere fünf Jahre gedulden müssen, Horst Seehofer aber wird mit breiter Brust auftreten. Unter dem Motto „Mia san mia, uns kann koaner wos sogn“ geriet die markige Parole nach einer Pkw-Maut für Ausländer zum Wahlkampfhit, was Angela Merkel aufmerksam registriert hat. Mit dem bayerischen Regionalfürsten wird in Berlin wieder stärker zu rechnen sein. Der zuletzt zahme Löwe aus München hat das Brüllen wiedererlernt.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)

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