Anlage. Mit „sicheren“ Investments wie Anleihen und Gold verlieren Anleger derzeit viel Geld. Sein Erspartes zu erhalten und über die Inflation zu retten, wird zur Herausforderung. Experten diskutierten über Alternativen.
Wien. Dass sowohl Pessimisten als auch Optimisten recht bekommen, passiert selten. Im Vorjahr war das der Fall. Jedenfalls, wenn man jene als pessimistische Anleger sieht, die sichere Anlagen wie Anleihen oder Gold bevorzugen. Und als Optimisten die, die auf Aktien setzen. Denn die Pessimisten gewannen: Europäische Anleihen legten im Schnitt um 9,4, US-Bonds um 2,2 Prozent zu. Mit Anleihen aus Asien oder den Schwellenländern fuhr man gar zweistellige Erträge ein, wie aus Daten von Thomson Reuters und der Credit Suisse hervorgeht. Die Optimisten gewannen auch. Aktien aus fast allen Weltgegenden warfen zweistellige Erträge ab.
Heuer ist das nicht mehr so. Wer auf Nummer sicher gehen wollte und auf Gold und Staatsanleihen setzte, hat bis dato verloren. Das Problem für skeptische Anleger sei die Normalisierung, sagt Thomas Lehr, Investmentstratege bei der Credit Suisse. „Wenn man sein Portfolio auf einen Weltuntergang ausgerichtet hat, reicht es, wenn sich die Lage normalisiert.“
Die von vielen Ökonomen ausgerufene „große Rotation“ von Anleihen zu Aktien stehe zwar noch aus. „Sie wird kommen, wird sich aber über eine sehr lange Zeit hinziehen.“ Bis Staatsanleihen sicherer Staaten wie der USA wieder drei bis fünf Prozent abwerfen, werde es noch eine Weile dauern.
Größtes Risiko Inflation
Sicherheitsorientierte Privatinvestoren würden oft die Inflation vernachlässigen, sagt Gerhard Mittelbach von der PEH Wertpapier AG. Von 100 Euro bleiben nach zwanzig Jahren bei zwei Prozent jährlicher Inflation knapp 70 Euro, bei vier Prozent weniger als die Hälfte. Mit der Rendite deutscher Staatsanleihen könne man derzeit nicht einmal eine zweiprozentige Inflation wettmachen. Sollte die lockere Geldpolitik der Notenbanken doch einmal auf die Verbraucherpreise durchschlagen, würde man mit Anleihen noch mehr verlieren. Bleiben also Aktien, mit denen man im Schnitt reale Gewinne schaffen sollte.
Doch welche Aktien soll man kaufen? Hier sind die Fondsexperten geteilter Ansicht. Mittelbach setzt neben US-Aktien auch auf europäische Titel. Für europäische Papiere spreche die höhere Dividendenrendite (diese liegt bei Firmen aus dem Eurostoxx-50 bei 4,4 Prozent, bei Dow-Jones-Firmen sind es nur 2,6 Prozent). Europäische Aktien würden von vielen Anlegern zu Unrecht gemieden. Auch Japan und die USA hätten mit hohen Staatsschulden zu kämpfen, doch nur in Europa sei die Schuldenkrise ein bestimmendes Thema. Die strukturellen Probleme– hohe Haushaltsdefizite in den meisten Peripherieländern– seien zwar noch nicht gelöst, Europa profitiere aber von Reformen und der Tatsache, dass die Konkurrenz (etwa China) schwächer werde.
Philipp Baar-Baarenfels von AXA Investment Managers findet US-Aktien nach wie vor interessant. Er verweist auf die Erholung des US-Bankensektors, die in Europa noch ausstehe, und die Trendwende auf dem Immobilienmarkt. Die USA seien von der Bewertung her nicht mehr so billig wie europäische Papiere, räumt er ein. Doch hätten die USA auch bessere Wachstumsvoraussetzungen, etwa durch die Energiegewinnung aus Schiefergas. Und: „Im Jahr 2020 werden sie der größte Erdölförderer der Welt sein.“ Die Rohstoffkosten seien jetzt schon viel geringer als in Europa, was der Industrie einen Vorteil verschaffe. Zudem bestehe der breit gefasste Aktienindex MSCI World noch großteils aus US-Aktien. Wer also breit investieren wolle, komme an den USA ohnehin nicht vorbei.
Unterschätzte Technologieaktien
Ebenfalls von vielen Anlegern unterschätzt würden Technologieaktien, klagt Mike Judith, Vice President von DNB Asset Management. Denn viele assoziierten mit Technologieaktien geplatzte Blasen. Doch trotz der New-Economy-Blase und deren Platzen um die Jahrtausendwende hätten Technologieaktien den Anlegern seit Anfang der Neunzigerjahre mehr gebracht als der breite US-Aktienmarkt. Die meisten Aktien, etwa Google, Apple oder Intel, seien auch angesichts der hohen erwarteten Wachstumsraten in den kommenden Jahren nicht teuer. Dabei sollte man auf jene Firmen setzen, die bei den meisten Megatrends (zu diesen zählt Judith die Bereiche Cloud Computing, Web-TV, Onlinemedien, soziale Netzwerke) stark sind.
Doch soll man jetzt nur noch auf Aktien setzen? Das meiste Anlegergeld liegt nach wie vor in festverzinslichen Papieren, und daran werde sich so schnell nichts ändern, stellt Markus Peters von M&G fest. Seiner Meinung nach sind auch künftig Kursgewinne mit Anleihen möglich. Etwa dann, wenn die US-Notenbank die Zinsen nicht so schnell erhöht, wie der Markt derzeit bereits erwarte.
Das sieht auch Ralph Geiger, Fixed-Income-Spezialist der Credit Suisse, so. Anleger müssten künftig mehr differenzieren. Etwa zwischen den Anleihen der einzelnen Schwellenländer, die bisher nur als eine einzige Anlageklasse wahrgenommen worden seien. Ein Selbstläufer sind Anleihen nicht mehr.
Auf einen Blick
Als alte Faustregel galt lange Zeit, dass man mit Aktien zwar gut essen, mit Anleihen aber dafür gut schlafen könne. Die Zeiten sind vorbei: Gut schlafen kann man mit keinem Investment mehr, für gutes Essen gibt es auch keine Garantie. Bei Aktien wie bei Anleihen muss man differenzieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)