Erwin Pröll: Absage an Schwarz-Blau-Stronach

Die Presse
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Interview. Niederösterreichs Landeshauptmann warnt generell vor Dreierkoalitionen. Und sieht angesichts von 40 Prozent Unentschlossenen den Kampf um Platz eins nicht entschieden.

Gibt es eigentlich in St. Pölten eine Begegnungszone ähnlich der Mariahilfer Straße in Wien?

Erwin Pröll: Nein, das würde ich mir auch nicht wünschen. Derartiges passiert eben, wenn man sich auf Grün einlässt.


In Wien hat sich die SPÖ den Grünen ausgeliefert?

Ich bin überrascht, wie sehr man diesen extremen grünen Ideen freien Lauf lässt. Das hat mit der Frage des Parkpickerls begonnen und kulminiert in der Mariahilfer Straße. Das ist ein Vorgeschmack darauf, was in der Republik kommen würde, wenn Rot-Grün, wahrscheinlich in Kombination mit den Neos, das Sagen hätte. Das ist der Grund, warum es sich lohnt, gegen Rot-Grün-Neos anzukämpfen.

Sehen Sie diese Konstellation als realistisch an?

Ja, weil es in einer ganz zentralen Frage, der Steuerpolitik und der steuerlichen Belastung, eine breite Deckungsgleichheit gibt. Dem Herrn Haselsteiner von den Neos ist die steuerpolitische Ansage des Bundeskanzlers („Millionärssteuer") sogar zu wenig weitgehend. Man kann nur dringend warnen, eine derartige Konstellation auch nur anzudenken. Die einzige Möglichkeit, dagegen realistisch anzukämpfen, ist, die ÖVP mit Michael Spindelegger so stark wie möglich zu machen, um eine derartige Konstellation zu verhindern.


Im Parteiprogramm treten die Neos aber gegen höhere Steuer ein.

Aber Sie wissen, es gibt Persönlichkeiten, bei denen weniger das Parteiprogramm als Geld eine Rolle spielt. Das ist bei der Stronach-Truppe so und bei den Neos ähnlich, es ist nur nicht so ausgesprochen, wie es der Herr Stronach ausspricht: Wer das Gold hat, macht die Regel.


Gleichzeitig sagt man in der SPÖ, die ÖVP bastle an einem Bündnis mit der FPÖ und dem Team Stronach. Tatsache?

Das sind taktische Spielchen des SPÖ-War-Rooms. Ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass an derartigen Konstellationen in der ÖVP nicht gebastelt wird. Wir wissen ganz genau, dass man mit jemandem, der mit so viel Europafeindlichkeit agiert und den Euro infrage stellt, kein Staat zu machen ist.

Das heißt, Sie schließen eine derartige Dreierkoalition aus.

Das halte ich für eine vollkommen unrealistische Konstellation. Abgesehen davon kann ich nur dringend vor jeder Dreierkonstellation warnen. Zweierkonstellationen sind schon schwierig genug.

Zu einem Thema, das Sie wahrscheinlich langsam nervt: Wie kam es zu dem medial so seltsam orchestrierten Treffen mit Bundeskanzler Faymann?

Mich nervt das überhaupt nicht. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten Spindelegger, Häupl, Schützenhöfer und Bürgermeister Stadler getroffen. Auch in Wahlkampfzeiten ist es wichtig, dass Verantwortungsträger miteinander einen vernünftigen Dialog führen. Ich werde mir mein Leben lang nicht vorschreiben lassen, mit wem ich mich wo treffe. Wenn dieses Treffen ein Geheimtreffen mit gespenstischen Zukunftskonstellationen gewesen wäre, hätte ich mich nicht in einen Gastgarten mit hundert anderen Leuten gesetzt.

Wobei ja eine große Koalition für Sie wohl keine gespenstische Zukunftsvision wäre, oder?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich für eine Große Koalition eintrete, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Gerade im Wahlkampf hat die Dynamik des Michael Spindeleggers die Öffentlichkeit offensichtlich überrascht. Diese Dynamik würde er auch in das Amt des Bundeskanzlers einbringen.

In Umfragen ist keine Dynamik zu erkennen. Da verharrt die ÖVP auf Platz zwei. Haben Sie andere Daten?

Was sind drei Prozent Unterschied angesichts dessen, dass 40 Prozent unentschlossen sind? Immer mehr Menschen legen sich erst in der allerletzten Phase fest. Da ist noch einiges möglich. Es gibt mit Sicherheit ein Rennen um den ersten Platz und einen Kampf gegen Rot-Grün-Neos. Im Unterschied zur SPÖ ist die Strategie der ÖVP darauf angelegt, den Schwerpunkt auf die letzten zwei Wochen zu setzen.

Die ÖVP hat noch etwas im Talon?

Ja, die Kraft unserer Funktionäre. Das schlagendste Argument für mich, weshalb dieser Wechsel stattfinden soll: Faymann ist angeblich ein enger Freund von François Hollande (französischer Präsident). Sehen Sie sich die Situation in Frankreich mit Wirtschaftsproblemen und steigender Arbeitslosigkeit an! Michael Spindelegger ist dagegen auf einer Linie mit Angela Merkel mit vernünftiger Steuerpolitik und Konzentration auf stabile Wirtschaft.


Und Sie sind Horst Seehofer (Bayerns Ministerpräsident)?

Ich bin und bleibe Erwin Pröll.


Weshalb fehlt der ÖVP jene integrative Kraft, die offenbar der CSU eigen ist? Im Lager rechts der Mitte tummelt sich so viel politische Konkurrenz wie nie.

Ich würde es nicht allein an der ÖVP dingfest machen. Durch die Form des Politikmachens der letzten Jahrzehnte ist zu viel Platz für Gruppierungen, die in ein Vakuum stoßen, frei geworden. Je kompakter und pointierter die beiden Großen miteinander arbeiten, umso zufriedener wird die Bevölkerung sein und umso weniger Platz bleibt für Randgruppen. Es fällt mir zunehmend schwer, den Herrn Stronach zu beurteilen, er bringt sich gerade selbst politisch um.


Tut es Ihnen um einige von den Neos leid, die die ÖVP hat ziehen lassen?

Mir tut es prinzipiell um jeden leid, der uns ideologisch nahesteht und sich - aus welchen Gründen auch immer - von uns abwendet.

Die Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP in der Steiermark wird als vorbildhaft gesehen. Ein Vorbild, das Sie Spindelegger und Faymann mit auf s-9;0den Weg geben werden?

Es wäre wichtig, nach der Wahl kräftige gemeinsame Signale eines Miteinanders nach außen zu setzen, um zeigen: Es geht darum, dass im Interesse des gemeinsamen Ganzen etwas vorangeht. Das Lehrerdienstrecht sollte beispielsweise rasch im sozialpartnerschaftlichen Miteinander umgesetzt werden. Gerade die zu Ende gehende Gesetzgebungsperiode war von einem ständigen Gegeneinander geprägt.

Wie bei der Gesamtschule. Wie weit ist die Sehnsucht von ÖVP-Landeshauptleuten danach zu Ihnen gedrungen?

Nicht sehr weit. Ich bin vollkommen auf Linie unseres Kanzlerkandidaten Michael Spindelegger. Wir haben uns in Niederösterreich in einer Befragung nach dem Wunsch der Eltern erkundigt. Die Eltern wollen das nicht.

Beschreiten Salzburg, Tirol und Vorarlberg also einen Irrweg?

Ich will es nicht Irrweg nennen, aber es ist nicht unser Weg. Wir möchten Partner der Eltern und nicht Diktatoren sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17. September 2013)


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