Unsere Sorgen möchten wir haben

Sogar der sozialdemokratische Kanzler wies den Vorwurf erbost zurück: Nein, so etwas machen wir nicht. Darf man auf Türkisch wahlwerben? Ja, warum nicht?

Für seine Verhältnisse war Werner Faymann außer sich: „Das ist kein Plakat, das ich plakatiert habe! Mein Wahlleiter hätte das nie aufgehängt!“ Erboster Nachsatz: „Alle unsere Wahlplakate sind in deutscher Sprache!“

Entspannter, von der Wohnzimmercouch aus, fragte man sich: Ja, und? Wozu die Aufregung? FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte den SPÖ-Kanzler soeben mit „SPÖ-Plakaten“ in türkischer Sprache konfrontiert. Abgesehen davon, dass das eine Plakat tatsächlich ohne Wissen der Löwelstraße in Eigenregie von einem türkischstämmigen Unternehmer gebastelt und in seinem Geschäft aufgehängt wurde und es das andere, jenes des Nationalratskandidaten Resul Ekrem Gönültaş, ohnehin auch zweisprachig gibt: Wo ist das Problem, in Einzelfällen in türkischer Sprache wahlzuwerben? Diese Art des Zielgruppenwahlkampfs ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Minderheitenproblem.

Wer hierzulande das Wahlrecht hat, ist ohnehin österreichischer Staatsbürger, und da sollte man davon ausgehen, dass er die deutsche Sprache so beherrscht, dass er zumindest Wahlplakate lesen kann, auf denen ja eher selten komplexe Botschaften abgedruckt sind.

Wozu aber, könnte man einwenden, ist es dann nötig, auf Türkisch zu inserieren? Gegenfrage: Wozu brauchen die Kärntner Slowenen, die auch Deutsch können, unbedingt zweisprachige Ortstafeln? Weil die Slowenen eben eine anerkannte Volksgruppe sind und ihnen das im Staatsvertrag, Artikel 7, zugesichert wurde, lautet die formaljuristische Antwort. Aber, Hand aufs Herz: Wem tut das weh, wenn ein SPÖ-Kandidat auf Türkisch beworben wird? (Dem Kanzler im TV anscheinend schon.)


Allenfalls kann man noch auf den doch erstaunlichen Umstand verweisen, dass ausgerechnet die SPÖ, die sich bekanntlich zu den progressiven Parteien zählt, einen Mann in ihren Reihen hat, der in erzkonservativen Kreisen seine geistige Heimat hat. Herr Gönültaş ist Mitglied der Islamischen Föderation, einer Art Österreich-Ableger der in Deutschland aktiven, islamisch-reaktionären Milli-Görüş-Bewegung. Allerdings kommt auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, der weithin angesehene Fuat Sanaç, aus dieser Ecke. Da liegt zumindest der Verdacht nahe, dass die SPÖ im Sinne der Wählermaximierung doch zu größeren Zugeständnissen bereit ist. Die reine Lehre der Abgrenzung wie gegenüber den Freiheitlichen wird hier nicht praktiziert.

Aber es ist ja nicht nur die SPÖ, die solcherart Wahlwerbung macht. Auch der ÖVP-Nationalratskandidat Hasan Vural, ein großer Erdoğan-Sympathisant, inseriert derzeit auf Türkisch – und Deutsch. Und bei ihm ist immerhin der Slogan hinterfragenswert, der da lautet: „Einer von uns“. Und damit wird wohl eher nicht die Österreichische Volkspartei gemeint sein.

Abseits solch eindeutig zweideutiger Botschaften, die bei Lichte betrachtet jedoch eher in die Kategorie politische Folklore fallen, spielt das „Ausländerthema“ in diesem Wahlkampf eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Das Land hat dazu – bei all den Problemen, die nicht in Abrede gestellt werden sollen – einen doch recht entspannten Zugang gefunden. Es ist weitgehend akzeptiert, dass wir mittlerweile eine multiethnische Nation sind. Und es ist ebenfalls weitgehend Konsens, dass das Erlernen der deutschen Sprache unabdingbar für die Integration ist und zusätzliche Zuwanderung streng limitiert ist, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden.

Schließlich wirbt heutzutage ja auch schon Heinz-Christian Strache um die Stimmen der Migranten: „Liebe deine Nächsten – für mich sind das auch gut integrierte Zuwanderer“, heißt es da unter Beibehaltung der Generalwerbelinie. Und weiter im Text: „Dazu gehört auch die große Gruppe der Österreicher mit serbischen Wurzeln. Mit ihnen verbindet uns unter anderem eine gemeinsame Geschichte und Tradition. Die FPÖ ist die einzige Partei im österreichischen Parlament, die außenpolitisch die Interessen Serbiens unterstützt.“

Die FPÖ hat dies übrigens auf Deutsch verfasst. Warum auch nicht? Soll doch jeder nach seiner Faąon wahlwerben und damit glücklich werden.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2013)

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