Neue Kunstkammer: So macht man das!

Schimmernde Vitrinen, geschickt inszeniert: die Wiener Kunstkammer.
Schimmernde Vitrinen, geschickt inszeniert: die Wiener Kunstkammer.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Museumsdidaktik: Die Präsentation in der wieder eröffneten Wiener Kunstkammer ist vorbildlich – auch international.

Ja, so macht man das. Mit der neuen Kunstkammer hat das Kunsthistorische Museum nicht nur in Österreich einen Meilenstein der Museumsdidaktik gesetzt. Wobei man mit dem sperrigen Wort „Museumsdidaktik“ genau diesen seltenen Moment meint, in dem man sich freut, wenn man nicht nur versteht, was man vor sich ausgestellt sieht, sondern es auch erlebt. Der museale Rosamunde-Pilcher-Effekt sozusagen. Und ja, dieser hat tatsächlich auch etwas mit Rührung und Emotion zu tun.

Wenn man etwa mitten im schimmernden, glitzernden Exotika-Vitrinenwald der Kunstkammer steht. Wenn man sich im Herzen dieses gar nicht so kleinen Museums vor der Büste der bedeutendsten Kunstkammer-Gründerfigur, Kaiser Rudolf II. (1552–1612), befindet und rundum blickt: auf die strahlenförmig angeordneten Vitrinen voll der Schätze, die er in Prag zusammengetragen hat. Oder wenn man die aufwendigen Tischautomaten betrachtet, die sich zur Unterhaltung der Dinergäste von Kaisers über die Tafel bewegt haben: Das musste man sich bisher immer vorstellen. Für die Neuaufstellung aber wurden sie einmal noch in Bewegung gesetzt. Die dabei entstandenen kurzen Filme sind Kunstkammerstücke von heute, zauberhafte, verspielte Kleinode.

Tritt man durch die Klimaschleuse im Halbstock des Kunsthistorischen, tut sich tatsächlich eine Zwischenwelt vor einem auf, ein „begehbarer Traum“, wie „Die Zeit“ es genannt hat. Darauf hat man die zehn Jahre lang, in denen die Sammlung in den Depots gelegen ist, nicht zu hoffen gewagt. Dass trotz all der Dramaturgie, die über die Jahre gesteigert und kurz vor Eröffnung im Frühling fast schon überspannt wurde, keine Enttäuschung folgte, ist das wahre Wunder dieser Wunderkammer. Denn die Erwartungen waren durch eine in der österreichischen Museumsgeschichte bisher einzigartige Werbekampagne ebenso einzigartig hoch. Im Rückblick muss man sagen: Es war richtig so. All die goldenen Fahrradhelme, die verkauft wurden, um die Kunstkammer zu unterstützen und zu promoten. Die Patenschaftsaufrufe für restaurierungsbedürftige Objekte. Gut, der Werbespot, für den Maximilian Schell als Connaisseur mit Schal durch das Dunkle und Glitzernde tappte, war vielleicht ein wenig dick aufgetragen . . .

350.000 Besucher bisher

Aber wer eine „Weltsensation“, so KHM-Generalin Sabine Haag, in petto hat, wird sie ja wohl auch so verkaufen dürfen. 350.000 Besucher kamen bisher; zwei Stunden bleiben sie durchschnittlich in den 20 Räumen. Es war weise, diese nicht chronologisch oder nach Gattung zu sortieren. Sondern sie Sammlerpersönlichkeiten wie Margarete von Österreich, Erzherzog Ferdinand II. oder eben Rudolf II. zuzuordnen.

So kann auch die Entwicklung des geheimnisvollen Ortes Kunstkammer nachvollzogen werden. Auf eine sowieso letztlich immer nur fiktive Rekonstruktion dieser sehr unterschiedlichen Schatzkammern wurde anders als im Dresdner „Grünen Gewölbe“ verzichtet. Nicht aber auf eine „magische Atmosphäre“. Auch nicht auf moderne Vermittlungstechnik, die so tatsächlich weltweit wegweisend sein wird: In den Sitzmöbeln sind 66 Tablet-Computer. Auf ihnen kann man sich Hintergrundinformationen holen, die sich sinnvollerweise nicht an Wand oder Vitrinen schreiben lassen. Wer soll, wer würde eine derartige Flut lesen? Für eine ähnliche Lösung hat sich das Rijksmuseum in Amsterdam entschieden, das ebenfalls nach jahrelangem Umbau heuer wieder eröffnet wurde – nur sind dort viel weniger Tablets, und die Infos waren, zumindest zur Eröffnung – nur in Niederländisch gehalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2013)

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