Ifo-Chef Sinn fordert Stopp der Schulden-Sozialisierung

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Die Eurozone sollte mit Ein- und Austrittmöglichkeiten flexibler gestaltet werden. Von Merkel erwartet er eine Änderung der deutschen Europa-Politik.

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn fordert von der künftigen deutschen Bundesregierung eine neue Politik im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise. "Es kommt darauf an, den Weg der Schulden-Sozialisierung nicht weiter zu gehen", sagte der Chef des Münchener Instituts für Wirtschaftsforschung am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Es müsse eine tragfähige Basis für Wohlstand geschaffen werden, "die nicht auf der Idee internationaler Transfers beruhe".

Dazu müssten angeschlagene Banken rekapitalisiert werden, indem die Gläubiger auf Teile ihrer Forderungen verzichten. "Der Steuerzahler hat kein Geld für die Rettung der Investoren mehr übrig", sagte Sinn. Wegen des Wahlerfolgs der euroskeptischen AfD rechnet er mit einem Kurswechsel von Kanzlerin Angela Merkel: "Die deutsche Europa-Politik wird sich ändern".

Fokus auf demographische Aspekte

Sinn fordert die künftige Regierung zudem dazu auf, ihr Augenmerk auf die Demographie zu richten. "Das ist das größte Problem unseres Landes überhaupt", sagte er. "Deshalb müssen die Anreize, Kinder zu bekommen, verbessert werden. Denn Deutschland habe die niedrigste Zahl von Kindern im Vergleich zur Bevölkerungsgröße unter allen entwickelten Industriestaaten. Familien müssten deshalb stärker gefördert werden - etwa durch eine bessere Betreuung kleiner Kinder in Krippen und Kitas. Damit könnten auch Kinder mit ausländischen Wurzeln besser integriert werden. "Dringend erforderlich ist auch eine Mütterrente", sagte der Ifo-Chef. "Mütter werden benachteiligt, indem sie Kinder großziehen, die anderer Leute Rente bezahlen. Diese ökonomische Wahrheit muss abgebildet werden im Rentensystem."

Auch eine Verbesserung der deutschen Infrastruktur hält Sinn für nötig. "Wir haben 20 Jahre hinter uns, in denen die Infrastruktur in den neuen Bundesländern und Südeuropa aufgebaut und in Westdeutschland vernachlässigt wurde", sagte er. "Statt das Geld in Rettungsaktionen zugunsten reicher Bankengläubiger zu stecken, sollte es lieber in die Infrastruktur investiert werden."

Sparpolitik wird zur Zerreißprobe

Der Ökonom rät auch dazu, die "freie Verfügbarkeit der Mittel" der Europäischen Zentralbank (EZB) einzuschränken. "Es kann nicht sein, dass 80 Prozent der Geldmenge des Euro-Raums in sechs Krisenländern geschaffen wurden, die nur für etwa ein Drittel der Wirtschaftsleistung der Währungsunion stehen." Es ergebe keinen Sinn, Länder in eine Sparpolitik zu zwingen, deren Währung eigentlich um 30 Prozent abwerten müsste, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Das führt zu einer unerträglichen Massenarbeitslosigkeit, die zu einer Zerreißprobe für die Gesellschaft wird und das Eurosystem als Ganzes gefährdet."

Besser wäre ein geordneter Austritt aus der Euro-Zone. Europa sei kein Bundesstaat wie die USA. "Daher muss die Währungsunion flexibler gestaltet werden mit Ein- und Austrittsmöglichkeiten", sagte Sinn. "Das würde sehr rasch die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer steigern und die Reformkräfte stärken, denn die Aussicht auf einen Wiedereintritt ist ein starker Anreiz für Reformen."

(APA/Reuters)

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