Energie: „Atomausstieg nicht für ein Butterbrot“

Atomausstieg
Atomausstieg(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Wer auf Atomkraftwerke verzichten will, muss andere Belastungen für die Umwelt akzeptieren, sagt Michael Frank, Chef des Schweizer Energieverbandes. Er denkt dabei an weitere Speicherkraftwerke in den Alpen.

Fuschl. Die Schweiz ist wie Österreich in einer relativ privilegierten Situation. Rund 60 Prozent der Elektrizität wird hier wie dort bereits durch kohlendioxidneutrale und umweltfreundliche Wasserkraft erzeugt. Doch während der Rest hierzulande vor allem aus thermischen Gas- und Kohlekraftwerken stammt, entschieden sich die Schweizer vor Jahrzehnten für die Atomkraft. Fünf Atomkraftwerke decken zur Zeit noch etwa 40 Prozent des gesamten Schweizer Energieverbrauches.

Ein Wert, der laut politischer Übereinkunft in Zukunft auf null sinken soll. Denn wie Deutschland hat sich auch die Schweiz zu einem Ausstieg aus der Atomkraft bekannt. Und auch wenn die – für eine solche Frage obligatorische – Volksabstimmung noch aussteht, geht die Branche davon aus, dass spätestens im Jahre 2035 das letzte Schweizer Atomkraftwerk vom Netz genommen wird, sagt Michael Frank, Chef des Verbandes der Schweizer Elektrizitätsunternehmen, anlässlich der Verbund-Energiekonferenz Energy 2050 zur „Presse“.

Nicht alle Länder können importieren

Doch wie soll diese Energielücke geschlossen werden? „Wir werden kurzfristig sicherlich mehr Strom importieren müssen“, sagt Frank. Langfristig müsse die Schweiz aber – wie Deutschland, wo der Atomausstieg ebenfalls zu einer Zunahme der Importe führt – ihre Stromversorgung weiterhin selbst sicherstellen können. Dies könne technisch zwar zum Teil durch geförderte erneuerbare Energieformen wie Fotovoltaik oder Windkraft erfolgen. Diese Subventionsblase produziere jedoch drei gravierende Probleme auf dem europäischen Strommarkt, so Frank.

Das größte Problem stellen die geförderten Energieformen für nicht geförderte Erneuerbare dar, meint Frank – etwa Speicherkraftwerke. „Hier droht ein massiver Kollateralschaden“, warnt er. Denn diese Kraftwerke würden durch die sinkenden Börsenpreise infolge des zeitweisen Überangebots von gefördertem Ökostrom (etwa zur Mittagsspitze) plötzlich unrentabel werden. Einen ähnlichen Effekt gebe es bei Gaskraftwerken, die nicht nur die sauberste fossile Energieform sind, sondern aufgrund ihrer guten Steuerbarkeit auch eine Alternative zur Atomkraft für die Schweiz wären. „Heute sind solche Kraftwerke jedoch nicht wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Frank. Sie würden daher nicht gebaut und könnten in einigen Jahren fehlen, wenn der Bedarf nach zusätzlichen Kraftwerken infolge des Ausstiegs aus der Atomenergie plötzlich da ist.

Ein weiteres Problem sei sozialer Natur. So bringe die Förderung von Ökostrom, die von den Stromkunden bezahlt wird, eine Umverteilung von unten nach oben. „Populistisch ausgedrückt finanziert der Sozialhilfebezieher die Fotovoltaikanlage des Zahnarzts oder Anwalts“, sagt Frank. Damit diese Fördersummen nicht explodieren, wurden sie in der Schweiz – wie in Österreich – nach oben hin gedeckelt. Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt zahlt pro Jahr knapp 25 Franken (20 Euro) für die Ökostromförderung. Hierzulande sind es 50 Euro. In Deutschland, wo es keinen Deckel gab, liegt dieser Wert jedoch bereits bei 220 Euro.

Gefahr einer Energiebruchlandung

Langfristig brauche es also eine behutsame Reduktion der Förderungen, da die neuen Erzeugungsmethoden auch von allein marktfähig werden müssten. Dies würde dann auch Speicherkraftwerke wieder rentabel machen, deren Ausbau notwendig sei, um die Volatilität von Windkraft und Fotovoltaik auszugleichen. „Wir können nicht für ganz Europa die Batterie sein, aber einen Teil der Speicherung können die Alpenländer sicher übernehmen.“ Dies erfordere jedoch auch mehr Akzeptanz bei der lokalen Bevölkerung für Kraftwerks- und Leitungsprojekte. „Der Atomausstieg ist nicht für ein Butterbrot zu haben. Ohne mehr Akzeptanz für Alternativen werden wir in der Energiewende eine Bruchlandung hinlegen.“

AUF EINEN BLICK

Die Schweiz produziert zurzeit noch rund 40 Prozent ihres Stroms in fünf über das Land verteilten Atomkraftwerken (das nächste an der österreichischen Grenze befindet sich in Beznau, etwa 120 Kilometer von Bregenz entfernt). In der Schweizer Politik gibt es jedoch die grundsätzliche Übereinkunft, die Atomkraftwerke am Ende ihrer technischen Laufzeit stillzulegen und keine neuen AKW mehr zu errichten.

Dadurch entsteht jedoch eine Energielücke, sagt Michael Frank, Chef des Schweizer Verbandes der Elektrizitätsunternehmen. Diese sei kurzfristig mit mehr Importen zu bewältigen, auf Dauer müsse sich die Schweiz jedoch wieder selbst versorgen können. Dabei ergeben sich einige Probleme. So sind sowohl Gas- als auch Speicherkraftwerke zurzeit nicht wirtschaftlich. Grund dafür ist der niedrige Preis für Strom an der Börse, der durch den zeitweisen Überfluss an gefördertem Ökostrom zustande kommt. Gerade Letztere seien jedoch unbedingt notwendig, um den volatilen Ökostrom speichern zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2013)

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