200 Wahlversprechen abgegeben: Hälfte umgesetzt

Michael Spindelegger und Werner Faymann
Michael Spindelegger und Werner Faymann(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die SPÖ-ÖVP-Regierung hielt in der Vergangenheit vorwiegend die Versprechen, die sich in beiden Wahlprogrammen befanden und nicht am gesetzlichen Status quo rüttelten.

Wien.Die Wahlprogramme der Parteien lesen sich wie eine lange Wunschliste. „Steuern auf Arbeitseinkommen durch die Millionärssteuer senken“, das will etwa die SPÖ. „Unternehmensgründungen erleichtern“, das wünscht sich die ÖVP. Es werden eben – wie üblich vor Wahlen – allerlei mehr oder weniger attraktive Versprechen abgegeben. Die Frage, die sich dabei stellt: Wie viele davon werden eigentlich gehalten?

Wie das in den kommenden fünf Jahren sein wird, weiß zwar niemand. Wie es in der auslaufenden Legislaturperiode ausgesehen hat, haben nun aber Wissenschaftler am Institut für Staatswissenschaft an der Uni Wien untersucht. Das Ergebnis: Die SPÖ-ÖVP-Regierung hat jedes zweite Versprechen, das vor der Nationalratswahl 2008 abgegeben wurde, zumindest teilweise erfüllt (siehe Grafik). Dazu zählen etwa die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten – ein ÖVP-Wunsch – sowie die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung – ein Wahlversprechen der SPÖ. Wobei die ÖVP insgesamt mehr Wahlversprechen umsetzen konnte als die SPÖ (61 bzw. 56 Prozent). Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich die Sozialdemokraten die Latte besonders hoch gelegt haben. Denn in ihrem damals 40Seiten umfassenden Wahlprogramm befanden sich gleich 144 Versprechen. Die ÖVP kündigte in ihrem 25-seitigen Wahlprogramm „nur“ 69 verschiedene Maßnahmen an.

Koalitionsabkommen entscheidend

Wie wahrscheinlich es ist, dass die Wahlversprechen einer Partei nach dem Urnengang nicht in der politischen Mottenkiste verschwinden, sondern tatsächlich umgesetzt werden, hängt vor allem vom Koalitionspartner ab. Freilich lassen sich jene Forderungen am einfachsten verwirklichen, die von beiden Parteien unterstützt werden. Im Vorfeld der Nationalratswahl 2008 gab es nur 21 Versprechen, die sowohl von der SPÖ als auch von der ÖVP abgegeben wurden. Rund drei Viertel davon wurden realisiert. Gute Chancen auf Erfüllung haben auch Wahlversprechen, die die Beibehaltung der aktuellen Gesetzeslage anstreben. „Die Veränderung des Status quo gegen den Willen des Koalitionspartners ist ein schwieriges Unterfangen“, sagen die Studienautoren. Sollten SPÖ und ÖVP nach der kommenden Nationalratswahl wieder die Regierung bilden, würden somit das Versprechen der SPÖ, das Frauenpensionsalter nicht anzuheben, und die Forderung der ÖVP, die Erbschafts- und Schenkungssteuern nicht wieder einzuführen, besonderes Gewicht haben. Die Weichen für die Umsetzung der Wahlversprechen werden laut Studie bei den Koalitionsverhandlungen gestellt. 72 Prozent der Dinge, die dort beschlossen wurden, sind in der auslaufenden Legislaturperiode realisiert worden.

Die scheidende Regierung liegt mit einer Erfüllungsquote von 55 Prozent übrigens im europäischen Schnitt. In Österreich selbst konnte seit dem Jahr 2000 nur das Kabinett Schüssel II mehr Wahlversprechen Taten folgen lassen. Rund 57 Prozent der damaligen Versprechen wurden gehalten.

AUF EINEN BLICK

Die Studie, die an der Uni Wien entstanden ist, untersuchte die Umsetzung von Wahlversprechen seit 2008. Es zeigte sich, dass die Regierung nur 55 Prozent ihrer Versprechen zumindest teilweise erfüllte. Der ÖVP ist es gelungen, prozentuell mehr Wahlversprechen umzusetzen (61 Prozent) als der SPÖ (56 Prozent). Besonders häufig wurden Versprechen umgesetzt, die beide Parteien gaben bzw. jene Dinge, die im Koalitionsabkommen festgelegt wurden. Wahlversprechen, die die Beibehaltung der aktuellen Gesetzeslage versprachen, wurden kaum gebrochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2013)


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