Du, Kanzler, lass uns per Sie sein!

Das Geduze in TV-Duellen geht auf Kosten der politischen Debatte.

In Österreich sind die Kanzlerkandidaten per Du. In Deutschland waren sie Pe(e)r Steinbrück. Es ist ein simpler Witz, der die Unterschiede zwischen den TV-Kulturen der beiden Länder gut ausdrückt. In Deutschland wäre es wohl undenkbar, dass sich Kanzlerkandidaten in der entscheidenden Fernsehdiskussion duzen.

Was spricht dagegen, wenn sich Michael Spindelegger und Werner Faymann im TV duzen? Auf den ersten Blick wenig. Schließlich kommt es öfter vor, dass Leute, die zusammenarbeiten (müssen), per Du sind. Warum sollten sie das dann vor Kameras verheimlichen? Und doch gibt es gute Gründe gegen das Duzen: Denn der Verdacht, die da oben seien „verhabert“ und die nächste Koalition sei schon beschlossen, wird durch diese Form der Kommunikation nicht gerade entkräftet. Überhaupt nimmt man den Politikern die Argumente, die sie gegen ihre Kontrahenten loslassen, so nicht ganz ab.

Die wichtigste politische Debatte erinnert durch das Geduze an Interviews mit Sportlern („Du bist Erster. Hast du's realisiert?“). Es hat schon seinen Grund, dass derartiges bei öffentlichen politischen Debatten bisher unterblieben ist. Auch, damit die Kontrahenten höflich miteinander umgehen. Wie heißt es so schön? „Du Trottel“ sagt sich leichter als „Sie Trottel“.

E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2013)

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